100 wichtige Medikamente: endlich die Neuausgabe

ceterum censeo

Leserinnen und Leser mögen sich fragen, weshalb die pharma-kritik-Nummern nun schon wieder mit Verspätung erscheinen. Hätte sich das nicht vermeiden lassen, nachdem zu Beginn des Jahres so gute Aussichten bestanden? Die Antwort lautet: Nein – wenn ein Redaktionsteam so klein ist wie das unsrige und zudem alle nur in Teilzeit für pharma-kritik arbeiten, so sind Extraleistungen leider nur dann zu erreichen, wenn eine Zeitlang «Pflichtleistungen» vernachlässigt werden. Genau dies habe ich in den letzten Monaten getan, um endlich, nach fast unzähligen abortiven Anfängen, eine Neuausgabe unseres Buches über «100 wichtige Medikamente» vorzubereiten. Ich freue mich sehr, jetzt melden zu können, dass diese Redaktionsarbeit voraussichtlich in der ersten Oktoberhälfte 2004 abgeschlossen sein wird.

Viele Medikamente neu

Man könnte denken, die Arbeit für eine solche Neuausgabe wäre wohl kaum so schwierig, dass man sie nicht speditiv erledigen könnte. Nun ist aber zu berücksichtigen, dass es sich nicht einfach um eine rasch überarbeitete Neuauflage handelt, sondern um ein weitgehend neues Buch. Da sind zunächst einmal die etwa 25 Substanzen, die gegenüber der früheren Ausgabe ganz neu sind – entsprechend gingen auch 25 «alte» verloren. Wirklich verloren ging allerdings nur ein einziges Medikament, nämlich Terfenadin (Teldane®), das wegen der möglichen Herzrhythmusstörungen aus dem Markt zurückgezogen wurde. Andere, die in der Neuausgabe nicht mehr vorkommen, sind heute von geringerer Bedeutung (zum Beispiel Chloroquin) oder sind nur noch als Alternative (zum Beispiel Erythromycin) zu berücksichtigen. Dass immerhin rund drei Viertel der vor gut 10 Jahren als «wichtig» bezeichneten Medikamente auch im neuen Buch vorkommen, spricht meines Erachtens dafür, dass die frühere Auswahl so schlecht nicht war. In unserer kurzlebigen Zeit könnte man ja glauben, der medizinische Fortschritt sei so rasant, dass in wenigen Jahren gleich alles neu sein müsste.

Viel neue Information zu «alten» Mitteln

Allerdings: zu verachten ist der medizinische Fortschritt der letzten Dekade keineswegs. Auch für Medikamente, die wir schon zu kennen glaubten, ist in diesen Jahren eine grosse Zahl von neuen Erkenntnissen hinzugekommen. So hat sich ergeben, dass der grösste Teil der Medikamenten-Kapitel neu geschrieben werden musste. Wichtige Studien, in denen die Wirksamkeit vieler Medikamente besser dokumentiert wurde, neu identifizierte Arzneimittel-Probleme, neu erkannte Interaktionen, genauer erforschte Daten zur Pharmakokinetik: all das muss berücksichtigt werden, wenn ich heute ein Buch herausgeben will, das verlässliche Information anbietet, die für ein paar Jahre Bestand hat. So dürften es schliesslich nur ein gutes Dutzend Substanzen sein, von denen ich sagen kann, die entsprechenden Kapitel seien nur wenig verändert von der ersten Ausgabe übernommen worden.

Vertraute Präsentation

Auf eine grundlegende Neugestaltung der Präsentation der Daten habe ich verzichtet. Ich glaube, es ist sehr praktisch, wenn die Information zu den verschiedenen Medikamenten durch das ganze Buch hindurch in einigermassen identischer Form angeboten wird. Die Tatsache, dass für jedes Medikament immer exakt zwei Seiten zur Verfügung stehen, hat notwendigerweise zur Folge, dass je nach Substanz mehr oder weniger relevante Daten aufgenommen werden können. So bin ich z.B. im Heparin-Kapitel genötigt, sehr «kompakt» zusammenzufassen, während mir für das Psyllium-Kapitel in Relation zum vorhandenen Wissen viel Platz zur Verfügung steht. Ich bin mir bewusst, dass sich diese Eigenheit des Buches mit einiger Berechtigung kritisieren lässt. Wollte man aber vom Prinzip der «zwei Seiten pro Medikament» abweichen, so verlöre das Buch aus meiner Sicht einen wichtigen Vorteil. Wenn ich feststelle, dass die Seitenzahl des Arzneimittel-Kompendiums der Schweiz in den letzten 10 Jahren um rund 1000 (auf über 3100 Seiten) zugenommen hat, so bin ich eigentlich recht stolz darauf, dass die Neuausgabe unseres Buches ungefähr gleich viele Seiten aufweisen wird wie die Erstausgabe.

Literatur ins Internet verbannt

Dennoch wurde versucht, mit kleinen Eingriffen am Layout den Informationsgehalt noch einmal zu verbessern. Drei Abschnitte habe ich nach reiflicher Überlegung geopfert. Im neuen Buch gibt es die Abschnitte «Literatur», «Kosten» und die Ultrakurz-Evaluation am Schluss (mit den Sternen) nicht mehr. Statt der Literaturangaben im Buch werden wir im Internet zu jeder Substanz eine Literaturliste anbieten, die viel mehr leistet als der frühere kleine Abschnitt im Buch. Im Internet wird man einerseits zu Medline-Abstracts, anderseits zu Infomed-Texten direkte Links finden. Angaben zu den Medikamentenkosten zu machen ist heute in Anbetracht der Volatilität und Variabilität der Preise sehr schwierig geworden. Das heisst nicht, dass der Kostenfaktor in der Neuausgabe unberücksichtigt bliebe – Hinweise auf die Erhältlichkeit von Generika sind weiterhin vorhanden. Auch der «Kommentar» befasst sich nicht selten mit Fragen der Wirtschaftlichkeit der empfohlenen Medikamente. (Es ist übrigens bemerkenswert, dass schätzungsweise drei Viertel der 100 Medikamente im neuen Buch als Generika oder kostengünstige Originalpräparate erhältlich sind!)

Mehr Daten zu den Interaktionen

Ausgebaut wurde die Information zu den Interaktionen, wobei nicht nur mehr geboten wird, sondern (so hoffe ich wenigstens) mehr Sachverstand eingebracht wird. Mit anderen Worten: was wir in den letzten Jahren zu den Zytochromen hinzugelernt haben, kommt hier zum Ausdruck. Es besteht kein Zweifel, dass wir unsere Therapie mit besseren Kenntnissen zu den pharmakokinetischen Interaktionen optimieren können. Ich halte es deshalb für sehr wichtig, dass diesem Aspekt im Buch mehr Gewicht zukommt.

Unerwünschte Wirkungen wichtig

Mehr Einzelheiten werden auch zu den unerwünschten Wirkungen aufgenommen, obwohl ich dabei weiterhin darauf achte, dass nichts Überflüssiges aufgeführt wird. Um uns über das Nutzen/Risiko-Verhältnis eines Medikamentes klar zu werden, ist jedoch eine gute Information zu Nebenwirkungen unerlässlich. Zu Recht erwarten unsere Patientinnen und Patienten ja auch, dass wir sie unter anderem möglichst umfassend über Probleme aufklären, die im Zusammenhang mit der Therapie auftreten könnten.

Information zu Alternativen

Schliesslich hat es in der Neuausgabe einen neuen Abschnitt mit der Bezeichnung «Alternativen» – hier kommt oft zum Ausdruck, wie schwierig die Wahl einer Substanz aus einer grösseren Gruppe (z.B. ACE-Hemmer, Kortikosteroide) sein kann. Dieser Abschnitt gibt mir eine Chance, meine Auswahl zu relativieren oder auch Perspektiven (neuere, noch weniger gesicherte Optionen) aufzuzeigen. Die präsentierte Auswahl von 100 Medikamenten hat sich durchaus nicht einfach so, gewissermassen absolut zwingend, ergeben. Im Gegenteil: in vielen Fällen ist sie das Resultat eingehender Diskussionen mit dem Redaktionsteam und anderen Kolleginnen und Kollegen. Ich weiss durchaus, dass man sich verschiedentlich auch anders entscheiden könnte.

Ein Produkt des Infomed-Teams
Ich bin froh, dass ein weiteres Mitglied des Teams die Zeit gefunden hat, einige Kapitel zu revidieren. Dank der Mithilfe von Urspeter Masche habe ich selbst viele Arbeitstage einsparen können. Auch sonst wäre es völlig abwegig zu meinen, die Neuausgabe beruhe quasi exklusiv auf meiner Arbeit. Ohne reichliche Vorarbeit seitens des Teams und «zugewandter Orte» könnte ich diese Arbeit nicht leisten. Glücklich bin ich auch darüber, Kolleginnen und Kollegen gefunden zu haben, die die Buch-Texte noch kritisch durchlesen.

Der Internet-Blog

Erst jetzt, nachdem schon fast alles gemacht ist, wird mir bewusst, wie gross die Herausforderung einer Neuausgabe war. Meinen Versuch, darüber im Internet eine Art Tagebuch zu schreiben, muss ich als Misserfolg bezeichnen. Zu oft stand das Buch selbst oder eine andere Pendenz im Vordergrund, als dass ich dazu auch regelmässig hätte berichten können. Dennoch muss ich hier sagen, dass ich auch diesmal von diesem Projekt fasziniert war und ausserordentlich viel dabei gelernt habe. Wer sich für die spärlichen Blog-Einträge interessiert, kann sie bis auf weiteres an der Adresse www.infomed.org/100drugs/blog_index.php finden.

Perspektiven

Nur zögernd schreibe ich jetzt noch etwas über mögliche Folgeprojekte, die den Nutzen «unserer» 100 Medikamente noch vergrössern könnten. Der Grund für mein Zögern dürfte verständlich sein, nachdem es so lange gedauert hat, bis die Neuausgabe nun wirklich zustandekommt. Wenn nämlich die Arbeiten für das Buch beendet sind, warten einige andere Aufgaben auf das Infomed-Team, nicht zuletzt auch die Aufgabe, die pharma-kritik-Nummern wieder à jour zu bringen. Mit anderen Worten: ich kann vorläufig einfach nicht voraussagen, wann die (an sich durchaus plausiblen) Folgeprojekte realisiert werden können.

Eine «100 Medikamenten»-CD?

Gerne wünschte ich mir, den Inhalt des neuen Buches leicht abrufbar auf einer CD zur Verfügung zu haben. Die CD würde die Chance bieten, zusätzlich zum eigentlichen Buchinhalt alle sinnvollen Ergänzungen mitanzubieten. Literaturangaben mit Links zu den Abstracts im Internet und alle relevanten Texte aus pharma-kritik und infomed-screen sollten sich aus den entsprechenden Kapiteln heraus direkt anpeilen lassen. Vielleicht wäre es auch sinnvoll, auf einer solchen CD für diejenigen Medikamente, die im neuen Buch nicht mehr berücksichtigt werden, die Kapitel aus der früheren Ausgabe mitzugeben, natürlich mit dem entsprechenden Hinweis auf das ehrwürdige Alter der Information.

Das Buch auf dem «Palm»?

Obwohl wir damit gewissermassen ein Konkurrenzprodukt zu dem ausgezeichneten «epocrates» kreieren würden, könnte ich mir auch gut vorstellen, dass sich das Buch – eventuell etwas gekürzt – sehr gut auch für Handheld-Computer eignen würde. Aber auch dieses Projekt ist nicht von einem Tag zum anderen zu realisieren. Noch vorher möchten wir auf alle Fälle ein Angebot für den «Palm», dessen Projektierung schon recht weit gediehen ist, herausbringen. Es handelt sich um ein kleines Programm, das helfen soll, Zytochrom-abhängige Interaktionen möglichst mühelos abfragen zu können.

Subskription

Zusammen mit der nächsten oder übernächsten pharma-kritik-Nummer wird ein Bestellschein für die Neuausgabe des Buches versandt werden. Eine entsprechende Bestellmöglichkeit wird rechtzeitig auch im Internet angeboten werden. Wer früh bestellt, wird – wie schon vor rund 10 Jahren – das Buch zu einem Vorzugspreis erhalten.

Etzel Gysling

Standpunkte und Meinungen

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100 wichtige Medikamente: endlich die Neuausgabe (7. September 2004)
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pharma-kritik, 26/No. 7
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