Teriparatid

Teriparatid (Forsteo®) wird zur Behandlung der Osteoporose empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Teriparatid - mit Hilfe eines durch rekombinante Technologie veränderten E.-coli-Stamms synthetisiert - entspricht dem biologisch aktiven N-terminalen Teil von Parathormon und setzt sich aus den ersten 34 der insgesamt 84 Aminosäuren zusammen, die das menschliche Hormon bilden.

Parathormon, das den Kalzium- und Phosphatstoffwechsel reguliert, kann am Knochen unterschiedliche Wirkungen haben. Wenn es wie beim primären Hyperparathyreoidismus kontinuierlich und in hoher Konzentration zirkuliert, überwiegt der Abbau den Aufbau des Knochens. Ist Parathormon dagegen intermittierend und nur in geringerer Konzentration vorhanden, wie es mit der Verabreichung von Teriparatid geschieht, wird am Knochen eine anabole Wirkung erzielt. Unter Teriparatid lässt sich eine vermehrte Knochenbildung beobachten, indem die Zahl und Überlebensdauer der Osteoblasten erhöht werden. Teriparatid führt zu einem leichten Anstieg der Kalziumkonzentration, wobei der Spitzenwert 4 bis 6 Stunden nach Teriparatid-Gabe gemessen wird.(1,2)

Pharmakokinetik

Nach subkutaner Verabreichung von Teriparatid sind nach rund 30 Minuten maximale Plasmaspiegel erreicht. Die biologische Verfügbarkeit beträgt 95%. Über den Abbau von Teriparatid selbst gibt es keine Untersuchungen; wahrscheinlich nimmt die Elimination denselben Weg wie bei Parathormon, das zuerst in den Kupffer-Zellen der Leber durch proteolytische Enzyme gespalten und anschliessend über die Nieren ausgeschieden wird. Die Plasmahalbwertszeit von Teriparatid liegt bei 5 Minuten; nach subkutaner Injektion verlängert sie sich scheinbar auf 1 Stunde, da die Resorption langsamer ist als der schnelle Abbau. Bei Personen mit deutlich eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatininclearance unter 30 ml/min) fand sich eine um fast 80% verlängerte Halbwertszeit.(1,2)

Klinische Studien

In klinischen Studien haben ungefähr 2000 Personen mit verminderter Knochendichte oder mit Osteoporose Teriparatid erhalten. Alle klinischen Studien waren Ende 1998 gestoppt bzw. unterbrochen worden, nachdem erste Resultate von Langzeitversuchen bei Ratten eine erhöhte Inzidenz von Osteosarkomen gezeigt hatten. Die publizierten Studien erstreckten sich deshalb über eine kürzere Behandlungsdauer, als es ursprünglich vorgesehen war. In allen Untersuchungen wurde zusätzlich zu den eigentlichen Studienmedikamenten jeweils 1 g Kalzium und 400 bis 1200 E (10 bis 30 µg) Vitamin D pro Tag verordnet.

Die grösste Studie umfasste 1637 Frauen, die sich seit mindestens fünf Jahren in der Postmenopause befanden. Einschlusskriterium waren röntgenologisch nachgewiesene Wirbelfrakturen, die nicht durch ein Trauma bedingt waren; wenn weniger als zwei mittelgradige Frakturen (Höhenminderung zwischen 25 und 40%) gezählt wurden, musste zusätzlich eine verminderte Knochendichte mit einem T-Wert unter -1 vorliegen. Die Teilnehmerinnen wurden doppelblind auf drei Gruppen verteilt und spritzten sich während durchschnittlich rund 18 Monaten subkutan Placebo oder eine von zwei Teriparatid-Dosen (1-mal täglich 20 oder 40 µg). Bei Studienende zeigte sich in der Placebo-Gruppe bei 14,3% der Frauen mindestens eine neue Wirbelfraktur, wogegen es unter 20 µg Teriparatid lediglich 5,0% und unter 40 µg Teriparatid 4,4% waren. Nichtvertebrale Frakturen, die als osteoporosebedingt eingestuft wurden, waren weniger häufig; es fanden sich nur signifikante Unterschiede zwischen Placebo und den beiden Teriparatid- Dosen, wenn die Gesamtzahl der nicht-vertebralen Frakturen verglichen wurde (5,4 gegenüber 2,5 bzw. 2,4%), nicht aber, wenn die Lokalisationen (z.B. Femur- oder Radiusfrakturen) einzeln betrachtet wurden. Bei den Knochendichte-Messungen beobachtete man bei Teriparatid signifikant bessere Ergebnisse - mit Ausnahme des Radius, wo im Schaft die Knochendichte sogar stärker schwand als unter Placebo.(3)

In einer anderen placebokontrollierten Doppelblindstudie wurde der Effekt von Teriparatid bei Männern (n = 437), bei denen die Knochendichte in der Lendenwirbelsäule oder im proximalen Femur unter einem T-Wert von -2,0 lag, untersucht. Nach einer medianen Behandlungsdauer von 11 Monaten betrug die Knochendichte-Zunahme in der Lendenwirbelsäule unter Teriparatid 5,9% mit der 20-µg- und 9,0% mit der 40-µg- Tagesdosis, während unter Placebo lediglich 0,5% erreicht wurden; an anderen Lokalisationen des Skeletts waren die Unterschiede geringer und teilweise nicht signifikant. Die Frakturhäufigkeit wurde in dieser Studie nicht ermittelt.(4)

146 Frauen in der Postmenopause, die an einer Osteoporose litten (T-Wert der Knochendichte in der Lendenwirbelsäule oder im Schenkelhals unter -2,5), behandelte man doppelblind mit Teriparatid (40 µg/Tag) oder mit Alendronat (Fosamax®, 10 mg/Tag). Nach einer medianen Beobachtungszeit von 14 Monaten war die Knochendichte in der Lendenwirbeläule unter Teriparatid um 15,1%, unter Alendronat um 6,6% angestiegen. Die Häufigkeit von Wirbelfrakturen wurde nicht erfasst, dagegen diejenige der nicht-vertebralen Frakturen. In der Teriparatid-Gruppe traten 3 solche Frakturen auf, in der Alendronat- Gruppe 10.(5) Obschon signifikant, ist dieser Unterschied wenig aussagekräftig, da diese 13 Frakturfälle keine grosse Zahl bilden und auch nicht einem typischen Spektrum von Osteoporosefrakturen entsprachen (keine Femurfraktur, drei Zehenfrakturen in der Alendronat-Gruppe).

Unerwünschte Wirkungen

Als häufigste Nebenwirkungen von Teriparatid wurden Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel und Beinkrämpfe beobachtet. Auch eine vorübergehende orthostatische Hypotonie ist vorgekommen. Bei ungefähr 10% der Behandelten wurde mindestens einmal ein erhöhter Kalziumspiegel gemessen, was bei einigen eine Anpassung der Teriparatid-Dosis oder der Kalziumsubstitution erforderte. Als mögliche Folge einer Hyperkalzämie sind zwei Fälle von Pankreatitis beschrieben worden. Teriparatid erhöht auch die Kalziumauscheidung im Urin und die Harnsäurekonzentration im Plasma. Bei einem kleinen Teil der Behandelten liessen sich Antikörper gegen Teriparatid nachweisen, deren klinische Bedeutung allerdings nicht klar ist. Im Tierversuch bei Ratten wurde eine erhöhte Inzidenz von malignen Knochentumoren (Osteosarkomen u.a.) beobachtet; dieser kanzerogene Effekt manifestierte sich am ausgeprägtesten bei Jungtieren, denen Teriparatid in sehr hohen Dosen und über längere Zeit verabreicht worden vor. Beim Menschen sind bislang keine Osteosarkome aufgetreten. Bei zwei Personen wurde ein Morbus Paget beobachtet; mindestens in einem Fall wurde dabei Teriparatid als Ursache vermutet.

Interaktionen

Es ist Vorsicht geboten, wenn Teriparatid mit Digitalispräparaten kombiniert wird, da erhöhte Kalziumspiegel die Digitalistoxizität verstärken können. Im übrigen sind keine Interaktionen beschrieben.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Teriparatid (Forsteo®) wird in Form einer Glaspatrone (750 µg in 3 ml) angeboten; ein damit verbundenes Injektionsgerät gibt jeweils die subkutan zu spritzende Tagesdosis von 20 µg frei.Die Injektionslösung muss gekühlt (2 bis 8°C) gelagert werden. Als Indikation wird die Behandlung einer «Osteoporose mit hohem Frakturrisiko» angeführt; im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern ist Teriparatid in der Schweiz auch für Männer zugelassen. Die maximale Behandlungsdauer beträgt 18 Monate. Es existieren keine Erfahrungen mit einer gleichzeitigen Gabe mit Bisphosphonaten. Andere Knochenerkrankungen (Morbus Paget, primäre oder sekundäre Knochentumoren), eine vorangegangene Radiotherapie des Skeletts, ein primärer Hyperparathyreoidismus sowie eine nicht geklärte Erhöhung der alkalischen Phosphatase stellen eine Kontraindikation für Teriparatid dar. Ferner sollte Teriparatid weder bei schwangeren und stillenden Frauen noch bei Kindern verschrieben werden.

Teriparatid ist nicht kassenzulässig; eine Glaspatrone, die für eine einmonatige Behandlung vorgesehen ist, kostet fast 690 Franken. Bisphosphonate sind mit rund 60 Franken pro Monat sehr viel billiger.

Kommentar

Teriparatid ist das erste unter den modernen Osteoporosemitteln, das zu einem verstärkten Knochenanbau führt. Die Wirksamkeit ist jedoch weniger gut dokumentiert, als es die im schweizerischen Arzneimittelkompendium aufgeführten Indikationen nahelegen wollen. Belegt ist, dass bei Frauen mit osteoporotischen Wirbelfrakturen das Risiko von weiteren Wirbelfrakturen gesenkt wird (mit einer «Number Needed to Treat» zwischen 10 und 11). Die Dokumentation bezüglich nichtvertebraler Frakturen (bei Frauen) ist dagegen wenig überzeugend; eine frakturverhütende Wirkung bei Männern ist bisher überhaupt nicht nachgewiesen. Dass sich Teriparatid höchstens für Ausnahmefälle empfiehlt, hängt auch damit zusammen, dass es mit eindeutigen Handicaps behaftet ist. Dazu gehört, dass vor allem die Sicherheit einer Langzeitanwendung nicht gezeigt ist, dass die Substanz ausserordentlich teuer ist und in ihrer täglichen Handhabung dieselbe Akribie verlangt wie zum Beispiel das Insulinspritzen.

Standpunkte und Meinungen

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Teriparatid (10. Januar 2005)
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pharma-kritik, 26/No. 10
PK107
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