Unabhängige Quellen (Juli 2020)

Montelukast: ungünstige Nutzen/Risiko-Bilanz

Die Annahme, Montelukast (Singulair® u.a.) hätte kaum zentralnervöse Auswirkungen, ist offensichtlich falsch. Zwar hatten wir schon 2013 in einem «Bad Drug News» auf das Risiko neuropsychiatrischer Nebenwirkungen hingewiesen. Aber aktuell enthält die offizielle Schweizer Arzneimittelinformation immer noch die nicht zutreffende Angabe, Rattenstudien hätten eine «minimale Verteilung durch die Blut-Hirn-Schranke» gezeigt. Die Publikation RxISK macht jetzt in einer ausführlichen Dokumentation auf diese Fehlinformation aufmerksam. Viele junge Patientinnen und Patienten haben unter Montelukast Albträume oder andere Schlafstörungen und depressive Symptome oder gar suizidale Tendenzen. Schlimmer noch: bei einzelnen Individuen nehmen die neuropsych­iatrischen Probleme nach dem Absetzen zu («Montelukast Withdrawal Syndrome»). Die Nutzen/Risiko-Bilanz ist deshalb für viele unvorteilhaft.

Buprenorphin-Depot subkutan sinnvoll?

In der EU ist ein Buprenorphin-Präparat (Buvidal®) erhältlich, das sich zur Substitution bei Opioid-abhängigen Personen anbietet. Dieses bisher in der Schweiz nicht verfügbare Präparat kann als (teure) Alternative zur oralen oder transkutanen Buprenorphin-Substitution eingesetzt werden und muss einmal wöchentlich oder einmal monatlich injiziert werden. Gemäss der Analyse der französischen Zeitschrift «La Revue Prescrire» ist Buprenorphin-Depot hinsichtlich der Abstinenz ähnlich wirksam wie die Sublingual-Tabletten der Buprenorphin-Naloxon-Kombination (Suboxone®). Lokalreaktionen an der Injektionsstelle sind möglich. Die Injektion darf nicht von den Betroffenen selbst vorgenommen werden; vor einer intravenösen Injektion ist wegen der Möglichkeit einer Thrombose zu warnen. «Prescrire» hält das Präparat für eine geeignete Option bei Individuen, für die sich eine tägliche Behandlung nicht bewährt hat.

Gefahren der Gabapentinoide

Der amerikanische Medical Letter berichtet, dass die US-Arzneimittelbehörde FDA seit Dezember 2019 einen neuen Warnhinweis in der Fachinformation zu Gabapentin (Neurontin® u.a.) und Pregabalin (Lyrica® u.a.) vorschreibt. Die Gabapentinoide können allein – besonders bei Personen mit chronischen Atemwegserkrankungen – und in Kombination mit anderen zentralnervös dämpfenden Mitteln zu einer lebensbedrohlichen Atemdepression führen. Gabapentin und Pregabalin haben zwar ein geringeres Missbrauchsrisiko als die Opioide, können aber ebenfalls zu psychischer und körperlicher Abhängigkeit führen. Aktuell kommt diese Problematik in der Schweizer Arzneimittel-Information nur ungenügend zum Ausdruck.

Therapie des systemischen Lupus erythematodes

Im «Australian Prescriber» findet sich eine Übersicht zur Dia­gnose und Therapie eines systemischen Lupus. Die Diagnose dieser Krankheit beruht einerseits auf klinischen Zeichen (unter anderem im Bereich der Haut und der Gelenke sowie auf hämatologischen, neurologischen und renalen Abnormitäten), anderseits auf serologischen Kriterien (verschiedene Antikörper, reduzierte Komplement-Werte). Junge Frauen sind weitaus am häufigsten betroffen. Die Ziele der Therapie sind die Verhütung von Symptomen und Exazerbationen und die Verminderung chronischer Or­-ganschäden bei gleichzeitiger Minimierung von toxischen Auswirkungen der Immunsuppression. Wichtig ist ein guter Sonnenschutz. Medikamentös ist Hydroxychloroquin (Pla­quenil® u.a., 200 mg/Tag) das geeignetste Mittel, wobei die okulären Nebenwirkungen sorgfältig überwacht werden müssen. Ausserdem können Kortikosteroide, Immunsup­­pressiva wie z.B. Methotrexat, Azathioprin (Imurek® u.a.) eingesetzt werden. Biologika bringen oft keinen überzeugenden Nutzen.

Magenschutz bei Entzündungshemmern

Nicht-steroidale Entzündungshemmer sind eine bedeutsame Ursache von gastrointestinalen Problemen. Das britische «Drug and Therapeutics Bulletin» bietet eine Übersicht zu den Möglichkeiten, vor diesen Komplikationen zu schützen. Sofern überhaupt ein nicht-steroidaler Entzündungshemmer indiziert ist, ergeben sich aus der Kombination eines COX-2-spezifischen Medikamentes – Celecoxib (Celebrex® u.a.) oder Etoricoxib (Arcoxia®) – mit einem Protonenpumpenhemmer die geringsten Magenrisiken. Ein COX-2-Hemmer allein oder die Kombination eines anderen nicht-steroidalen Entzündungshemmers mit einem Protonenpumpenhemmer beinhaltet etwas höhere Risiken. Gerade bei älteren Leuten sind jedoch andere mögliche Nebenwirkungen zu berücksichtigen. So ergibt sich im Einzelfall aus der Kombination von Naproxen (Proxen® u.a.) und einem Protonenpumpenhemmer allenfalls das kleinere Gesamtrisiko, weil Naproxen kardiovaskulär besser verträglich ist. Bei Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion sind alle diese Medikamente möglichst zu meiden. 

Nachteile hoher Vitamin-D-Dosen

Die kanadische Publikation RxFiles kommt – in erster Linie aufgrund einer im August 2019 veröffentlichten Doppelblindstudie – zum Schluss, dass sich höhere Vitamin-D-Dosen nicht zur Primärprävention der Osteoporose eignen. Vitamin-D-Tagesdosen von 4000 und 10'000 E wurden bei gesunden Männern und Frauen zwischen 55 und 70 Jahren mit niedrigen Dosen (400 E = 10 μg/Tag) verglichen. Die Teilnehmenden hatten primär keine Osteoporose und normale 25(OH)D3-Werte (über 30 nmol/l). Nach drei Jahren konnte unter den hohen Dosen kein klinisch relevanter Anstieg der Knochendichte beobachtet werden, wohl aber eine Häufung von unerwünschten Wirkungen (Hyperkalzämie, Hyperkalziurie, eventuell auch Abnahme der Knochendichte). Die Empfehlungen stimmen mit früheren Untersuchungen überein, wonach auch Frakturen und Stürze unter hohen Vitamin-D-Dosen möglicherweise gehäuft auftreten.

Standpunkte und Meinungen

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Unabhängige Quellen (Juli 2020) (25. Juli 2020)
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