Abatacept

Synopsis

Abatacept (Orencia®) wird für die Basisbehandlung der rheumatoiden Arthritis empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Bei der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis spielen T-Lymphozyten eine wichtige Rolle. Für deren Aktivierung, die durch Antigen-präsentierende Zellen eingeleitet wird, braucht es zwei Signale. Das eine wird direkt vermittelt durch den Kontakt zwischen Antigen und T-Zell-Rezeptor. Das andere beruht auf einem Antigen-unabhängigen Weg, indem sich CD80 und CD86 («Cluster of Differentiation»), zwei Moleküle auf den Antigen-präsentierenden Zellen, an CD28 auf der T-Lymphozyten- Oberfläche binden; dadurch entsteht ein Liganden- Rezeptor-Komplex, der als sogenannte Ko-Stimulation fungiert. Aktivierte T-Lymphozyten bilden vermehrt CTLA-4 («Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen 4»), ein Oberflächenprotein, das eine stärkere Affinität zu CD80/86 hat als CD28. Wenn sich CTLA-4 anstelle von CD28 an CD80/CD86 heftet, wirkt dies als negative Rückkoppelung, mit der eine überschiessende T-Zell-Aktivierung verhindert wird.

Abatacept ist ein rekombinantes Fusionsprotein, bestehend aus CTLA-4 und einem modifizierten Fc-Anteil von menschlichem Immunoglobulin C-gamma-1. Mit der Immunglobulin-Komponente wird die Halbwertszeit verlangert und die Komplement- Fixation verhindert. Abatacept unterbricht analog zu CTLA-4 die Antigen-unabhängige Ko-Stimulation und blockiert damit die T-Zell-Aktivierung.(1,2)

Pharmakokinetik

Nach intravenöser Verabreichung von Abatacept wird die maximale Plasmakonzentration nach ½ bis 1 Stunde gemessen. Der Abbau erfolgt vermutlich wie bei anderen grossen Proteinen über Makrophagen in Leber und Milz sowie zum Teil über proteolytische Enzyme in Lunge und Darm. Die Angaben zur durchschnittlichen Halbwertszeit bewegen sich zwischen 13 und 17 Tagen. Ob eine Leber- oder Niereninsuffizienz die Pharmakokinetik beeinflusst, ist nicht untersucht.(1,2)

Klinische Studien

Abatacept ist in mehreren Doppelblindstudien bei Personen mit rheumatoider Arthritis untersucht worden, bei denen trotz einer mehrmonatigen Behandlung mit Methotrexat oder anderen Basismedikamenten Zeichen einer Krankheitsaktivität bestanden und als Ausdruck dessen mindestens 10 geschwollene und 12 schmerzhafte Gelenke gezählt werden konnten. Abatacept wurde intravenös verabreicht, und zwar während des ersten Monats alle zwei, danach alle vier Wochen. Die vorbestehende Behandlung mit Methotrexat (oder einem anderen «nicht-biologischen » Basismedikament) führte man fort; sofern nötig, war auch ein Kortikosteroid (bis zu einem PrednisonÄquivalent von 10 mg/Tag) erlaubt. Als primäre Endpunkte dienten verschiedene Messinstrumente, die in Tabelle 1 erläutert sind.

In einer placebokontrollierten Dosisfindungsstudie wurden bei 339 Personen zwei verschiedene Abatacept-Dosen (2 bzw. 10 mg/kg) geprüft. Nach sechs Monaten erfüllten mit der niedrigeren Abatacept-Dosis 42% die ACR20-Kriterien, mit der höheren 60% und mit Placebo 35%.(3) Aufgrund dieses Ergebnisses wurden 10 mg/kg für die weiteren Studien als Richtdosis gewählt; faktisch waren dies 500 mg bei einem Gewicht unter 60 kg, 750 mg bei 60 bis 100 kg und 1000 mg bei über 100 kg. 652 Patienten und Patientinnen, denen Methotrexat allein zu wenig geholfen hatte, erhielten zusätzlich Abatacept oder Placebo. Nach einem halben Jahr konnte die Methotrexat-Dosis verändert oder ein anderes «nicht-biologisches» Basismedikament wie Hydroxychloroquin (Plaquenil®) oder Sulfasalazin (Salazopyrin®) dazugegeben werden. Nach sechs Monaten richtete man das Augenmerk auf die ACR20-Kriterien, die bei Abatacept von 68% und bei Placebo von 40% erreicht wurden. Nach einem Jahr wurde der Anteil der Personen bestimmt, die auf der HAQ-DI-Skala eine als klinisch bedeutsam geltende Verbesserung von 0,3 Einheiten erreicht hatten; er lag unter Abatacept bei 64% und unter Placebo bei 39%. Ebenfalls nach einem Jahr konnte radiologisch anhand der modifizierten «Sharp»-Skala nachgewiesen werden, dass Abatacept das Fortschreiten von Gelenkspaltverschmälerungen und Knochenerosionen signifikant verlangsamt.(4)

Auf ein ähnliches Protokoll stützte sich eine andere Studie (n = 391); der Hauptunterschied bestand darin, dass die vorgängige, als zu wenig wirksam taxierte Basistherapie auch einen der beiden TNF-alpha-Hemmer Etanercept (Enbrel®) oder Infliximab (Remicade®) zu enthalten hatte (die vor Studienbeginn gestoppt wurden). Unter Abatacept kamen nach sechs Monaten 50% der Behandelten auf die ACR20-Limite und 47% auf eine relevante Abnahme der HAQ-DI-Punktezahl; in der Placebo- Gruppe waren es 20% bzw. 23%.(5) Beide Untersuchungen wurden nach der doppelblinden Phase offen fortgesetzt, indem das gesamte Kollektiv Abatacept erhielt. Es liess sich damit zeigen, dass der Effekt von Abatacept über den geprüften Zeitraum von zwei Jahren erhalten blieb.(6-8)

Alsdann liegt das Ergebnis einer Studie vor, in der 431 Individuen einer Therapie mit Abatacept, Infliximab oder Placebo zugeteilt wurden. Nach einem halben Jahr war der DAS28 in der Abatacept-Gruppe von 6,9 auf 4,4 gefallen, in der Infliximab-Gruppe von 6,8 auf 4,6 und in der Placebo- Gruppe von 6,8 auf 5,3. Für einen statistischen Direktvergleich zwischen Atabatacept und Infliximab mangelte es der Studie indessen an genügend «Power».(9)

Auch bei Kindern und Jugendlichen wurde Abatacept getestet. 190 Knaben und Mädchen, die an einer juvenilen idiopathischen Arthritis litten, wurden mit Abatacept behandelt. Diejenigen, die nach 4 Monaten gemäss ACR-Richtlinien eine mindestens 30%-ige Linderung erfahren hatten, nahmen an der anschliessenden 6-monatigen placebokontrollierten Doppelblindphase teil. Mit Abatacept war das Risiko eines Rückfalls bzw. erneuten Arthritisschubs signifikant geringer als mit Placebo («hazard ratio» = 0,3).(10)

Unerwünschte Wirkungen

Nebenwirkungen, die unter Abatacept häufiger vorgebracht wurden als unter Placebo, waren Kopfschmerzen, Schwindel, Dyspepsie, Übelkeit und Hypertonie; zum Teil standen sie in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Infusion. Selten sind anaphylaktische und Überempfindlichkeits-Reaktionen.

Auch bei den Infektionen ergab sich eine Differenz zu Ungunsten von Abatacept; zu nennen sind vor allem respiratorische Infekte und Herpes-simplex-assoziierte Aphthen oder Ulzera im Mund. Bei chronisch-obstruktiver Lungenkrankheit scheint unter Abatacept das Risiko einer pulmonalen Verschlechterung zuzunehmen. Ob Abatacept das Auftreten von Krebs- oder Autoimmunerkrankungen fördert, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Bei einem kleinen Prozentsatz der Behandelten liessen sich Antikörper gegen Abatacept nachweisen. Klinische Konsequenzen (z.B. Wirkungsverlust) konnten bislang damit nicht verbunden werden.

Interaktionen

Es gibt begründete Hinweise, dass die Kombination von Abatacept mit TNF-alpha-Hemmern mit einer vermehrten Gefahr von Infektionen behaftet ist.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Abatacept (Orencia®) wird in Form von Durchstechflaschen angeboten, die 250 mg enthalten und mit denen eine Infusionslösung hergestellt wird. Das Mittel ist freigegeben fur die Basistherapie der rheumatoiden Arthritis . in der Regel in Verbindung mit Methotrexat, sofern Methotrexat oder TNF-alpha-Hemmer nicht genügend gewirkt haben. Abatecept wird als 30-minütige Kurzinfusion verabreicht. Die Dosis richtet sich nach dem Körpergewicht (wie im Detail im Abschnitt «Klinische Studien» ausgeführt). Im ersten Monat wird Abatacept zwei-, danach vierwöchentlich infundiert. Die Kombination mit anderen «biologischen» Substanzen wie TNF-alpha-Hemmern gilt als kontraindiziert. Es wird empfohlen, vor Behandlungsbeginn ein Infektionsscreening (Tbc, Hepatitis B und C, HIV) durchzufuhren. Die gleichzeitige Verabreichung von Lebendimpfstoffen ist zu vermeiden. Schwangeren und stillenden Frauen sollte kein Abatacept verordnet werden. Die Anwendung bei Kindern ist in klinischen Studien in gewissem Umfang geprüft, offiziell aber nicht genehmigt.

Abatacept ist limitiert kassenzulässig und kostet bei einer Durchschnittsperson (750 mg/4 Wochen) 2153.40 Franken pro Kalendermonat. Mit TNF-alpha-Hemmern kommt man auf einen ähnlichen Preis, einzig Infliximab ist, sofern es nicht in höherer Dosierung verschrieben wird, billiger.

Kommentar

Obschon ein anderer Wirkmechanismus zugrundeliegt, ähnelt Abatacept in Bezug auf die erwünschten und unerwünschten Effekte den TNF-alpha-Hemmern. Zweifellos hat sich dank dieser «biologischen» Medikamente die Prognose bei einer rheumatoiden Arthritis verbessert, indem sie die gelenkdestruierenden Prozesse etwas stärker zu bremsen vermogen. Da sie in der Regel zusammen mit Methotrexat verabreicht werden, beruht dieser Erfolg aber möglicherweise zu einem erheblichen Teil auf der Kombinationsbehandlung.

Nach wie vor bleiben zentrale Punkte zu beanstanden. Zum einen sind Abatacept und die anderen «biologischen» Medikamente nur wenig untereinander verglichen worden, so dass sich nicht festlegen lässt, welches (und in welcher Situation) bevorzugt zu wählen ist. Dieses Manko scheint ein Grund gewesen zu sein, dass sich das britische «National Institute for Clinical Excellence» im letzten Jahr gegen den Einsatz von Abatacept ausgesprochen hat.(11) Zum anderen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Nutzen dieser Substanzen im Allgemeinen als zu positiv dargestellt wird. In praktisch allen Studien fungierte der ACR20-Wert als ein primäres Bewertungsinstrument. Er eignet sich gut, um eindrücklich einen Unterschied zu dokumentieren, ist aber, eine globale Verbesserung von 20% als Erfolg wertend, aus klinischer Sicht zu lasch. Auch darf nicht ausgeblendet werden, dass kaum kontrollierte Langzeitdaten existieren, die angesichts der nicht zu negierenden Risiken mehr Sicherheit verschaffen würden.

Standpunkte und Meinungen

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Abatacept (14. Mai 2009)
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pharma-kritik, 30/No. 16
PK244
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