Etoricoxib

Etoricoxib (Arcoxia®) ist neuerdings in der Schweiz zur Behandlung von Schmerzen und Entzündungen im Zusammenhang mit einer Arthrose zugelassen worden.

Chemie/Pharmakologie

Wie Celecoxib (Celebrex®) und die früher erhältlichen Rofecoxib (Vioxx®) und Valdecoxib (Bextra®) ist Etoricoxib ein nicht-steroidaler Entzündungshemmer, der selektiv nur den Typ 2 der Zyklooxygenase hemmt und deshalb als COX-2-Hemmer bezeichnet wird.

COX-2 ist diejenige Zyklooxygenase-Isoform, die in erster Linie für die Synthese von Prostaglandinen verantwortlich ist, die Entzündung, Schmerzen und Fieber vermitteln. COX-1 ist für den Schutz der Magenschleimhaut und für die Hemmung der Plättchenaggregation von Bedeutung. Etoricoxib ist ein Methylsulfonylphenylderivat mit einer ähnlichen Dreiringstruktur wie andere COX-2-Hemmer.

Pharmakokinetik

Etoricoxib wird nach oraler Verabreichung rasch und vollständig resorbiert. Etwa eine Stunde nach der Einnahme sind maximale Plasmaspiegel erreicht; die Bioverfügbarkeit beträgt praktisch 100%. Die Substanz wird fast vollständig metabolisiert; die Metaboliten haben keine nennenswerte pharmakologische Aktivität. Für die Biotransformation sind CYP3A4 und weitere Zytochrom-Isoenzyme wichtig. Die Ausscheidung erfolgt praktisch nur in inaktiver Form (als Metaboliten) hauptsächlich über die Nieren, nur etwa 20% mit dem Stuhl. Die Plasmahalbwertszeit wird auf 20 Stunden geschätzt. Bei regelmässiger Verabreichung wird innerhalb von sieben Tagen ein Fliessgleichgewicht erreicht. Bei eingeschränkter Leberfunktion finden sich erhöhte Plasmaspiegel, während eine chronische Niereninsuffizienz die Etoricoxib-Spiegel kaum beeinflusst.(1) .

Klinische Studien

Etoricoxib ist in zahlreichen Studien bei verschiedenen Erkrankungen des Bewegungsapparates untersucht worden und ist auch schon seit etwa 2004 in mehreren europäischen Ländern (z.B. in Deutschland) zugelassen. Eine neuere Übersichtsarbeit vermittelt Informationen zu den Studien.(2)

Über 3500 Personen mit einer Knie- oder Hüftgelenks- Arthrose wurden in Doppelblindstudien mit Etoricoxib, Placebo oder aktiven Vergleichsmedikamenten behandelt. Etoricoxib wurde meistens in einer Tagesdosis von 30 mg verabreicht; die Studien dauerten in der Regel 12 Wochen. (Einzelne Studien wurden anschliessend noch während vielen Monaten weitergeführt.) Die Beurteilung der Wirksamkeit erfolgte anhand der üblichen Skalen (siehe Tabelle 1); die primären Endpunkte waren in der Regel durch die Veränderung von «WOMAC Pain» und «WOMAC Physical Function» bzw. des PGADS definiert.

Im Vergleich mit Placebo war Etoricoxib in einer Dosis von 30 oder 60 mg/Tag bei Knie- oder Hüftgelenkarthrose signifikant besser wirksam. In einer täglichen Dosis von 30 mg war Etoricoxib ähnlich wirksam wie Ibuprofen (Brufen® u.a., 3-mal 800 mg/Tag) oder Celecoxib (Celebrex®, 200 mg/Tag).(3,4) Ebenfalls etwa gleich wirksam war eine Tagesdosis von 60 mg Etoricoxib im Vergleich mit Diclofenac (Voltaren® u.a.) in einer Dosis von 3-mal 50 mg/Tag sowie mit Naproxen (Proxen® u.a.) in einer Dosis von 2-mal 500 mg/Tag.(5,6) Gesamthaft kann angenommen werden, dass Etoricoxib bei Arthrosen eine ähnliche schmerzlindernde Wirkung wie anderen nicht-steroidalen Entzündungshemmern zukommt.

Etoricoxib wurde auch bei rheumatoider Arthritis untersucht; 90-mg-Tagesdosen erreichten dabei die Wirkung üblicher Naproxen-Dosen.(2) (In der Schweiz ist die Tagesdosis von 90 mg nicht zugelassen.) Das Medikament ist ausserdem bei Spondylitis ankylosans, akuten Gichtanfällen, Dysmenorrhoe und bei postoperativen Schmerzen geprüft worden.

Unerwünschte Wirkungen

Unter Etoricoxib werden häufig gastro-intestinale Beschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen, Dyspepsie, Übelkeit sowie Schwindel, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Ekchymosen, Ödeme, Herzklopfen und ein Blutdruckanstieg beobachtet. Häufig ist auch ein Anstieg der Transaminasen. Andere unerwünschte Wirkungen kommen bei weniger als 1% der Behandelten vor.

Von Interesse ist aber in erster Linie der Vergleich mit anderen nicht-steroidalen Entzündungshemmern. Dazu liegen die Resultate eines speziellen Studienprogramms («Multinational Etoricoxib and Diclofenac Arthritis Long-Term», MEDAL) vor. Dieses umfasste drei Doppelblindstudien, von denen zwei (EDGE und EDGE-II) sich besonders mit der gastro-intestinalen Verträglichkeit befassten, während die Endpunkte der grössten, dritten Studie (MEDAL) in erster Linie auf kardiovaskuläre Komplikationen ausgerichtet waren.

Die drei Studien zusammen umfassen Daten zu über 34'000 Personen, die an einer Arthrose oder an rheumatoider Arthritis litten und während durchschnittlich 18 Monaten mit Etoricoxib oder Diclofenac behandelt wurden. Etoricoxib wurde in einer Tagesdosis von 60 oder 90 mg, Diclofenac in einer Dosis von dreimal 50 mg täglich verabreicht. Eine begleitende Behandlung mit Protonenpumpenhemmern (bei 40% der Kranken) sowie die Verabreichung von niedrigdosierter Acetylsalicylsäure (bei 33%) waren erlaubt.

Vergleichsweise gutartige Magen-Darm-Beschwerden (z.B. Bauchschmerzen, Dyspepsie, Durchfall) waren unter Etoricoxib signifikant seltener als unter Diclofenac. Dagegen war die Häufigkeit bedrohlicher gastro-intestinaler Komplikationen (Perforation, Obstruktion, Blutung) in den beiden Behandlungsgruppen identisch.(7)

Was die Herz-Kreislauf-Komplikationen anbelangt, wurde nach thromboembolischen Ereignissen, Blutdruckansteig und Herzinsuffizienz unterschieden. Jede Art von koronaren, zerebrovaskulären und peripheren (arteriellen und venösen) Komplikationen wurde zu den thromboembolischen Ereignissen gerechnet. Diese waren unter Etoricoxib und Diclofenac gleich häufig (zwischen 1,24 und 1,30 Ereignisse auf 100 Behandelte pro Jahr).(8) Der Blutdruck stieg unter Etoricoxib signifikant stärker an als unter Diclofenac, besonders bei Personen über 65 oder mit einer Hypertonie in der Vorgeschichte.(9) Das Risiko einer Herzinsuffizienz scheint für Etoricoxib mit höheren Dosen zuzunehmen und war für die 90-mg-Dosis signifikant höher als für Diclofenac.(10)

Im Hinblick auf eine mögliche Zulassung in den USA wurde Etoricoxib auch mit anderen Entzündungshemmern verglichen. Gemäss diesem Vergleich hat Etoricoxib mit einer Ereignisrate von 1,09 auf 100 Patientenjahre ein signifikant höheres thromboembolisches Risiko als Naproxen in üblichen Dosen (Ereignisrate: 0,41 auf 100 Patientenjahre).(11) Dieser Unterschied zu Diclofenac könnte darauf beruhen, dass auch Diclofenac eine gewisse COX-2-Selektivität besitzt.(12)

Interaktionen

Allgemein können nicht-steroidale Entzündungshemmer die Wirksamkeit von Antihypertensiva und Diuretika beeinträchtigen. Gastrointestinale Ulzera sind bei gleichzeitiger Verabreichung von Etoricoxib und niedrig-dosierter Acetylsalicylsäure möglicherweise häufiger als unter Etoricoxib allein. Unter höheren Etoricoxib-Dosen wurde eine Verstärkung der Wirkung von oralen Antikoagulantien festgestellt. Nicht-steroidale Entzündungshemmer können die Toxizität von Methotrexat und von Lithium erhöhen. Etoricoxib hemmt die Sulfotransferase; darauf beruht vermutlich der Anstieg der Hormonspiegel, wenn gleichzeitig Etoricoxib und Östrogen-haltige Präparate eingenommen werden.

 Ob die Hemmung oder Induktion von Zytochromen durch andere Medikamente die Etoricoxib-Wirkung relevant verändert, ist ungenügend bekannt.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Etoricoxib (Arcoxia®) ist in der Schweiz als Filmtabletten zu 30 und zu 60 mg erhältlich; das Präparat ist limitiert kassenzulässig. Für die zugelassene Indikation (symptomatische Behandlung von Arthrosen) wird eine einmal-tägliche Dosis von 30 mg, ausnahmsweise von 60 mg, empfohlen. Wie in der EU enthält auch in der Schweiz die offizielle Fachinformation den Hinweis, das Präparat sollte «in der niedrigsten wirksamen Dosis über einen möglichst kurzen Zeitraum» verabreicht werden.

Etoricoxib ist offiziell bei gastro-duodenalen Ulzera, aktiven Magen-Darm-Blutungen, entzündlichen Darmerkrankungen, Leber- oder Niereninsuffizienz, mässig bis stark ausgeprägter Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit und bei bekannter Allergie auf Acetylsalicylsäure oder verwandte Analgetika kontraindiziert. Kinder und Jugendliche (bis zum Alter von 16 Jahren) sowie schwangere und stillende Frauen sollen nicht mit Etoricoxib behandelt werden, da die Verträglichkeit für diese Personengruppen nicht genügend dokumentiert ist.

Eine Behandlung mit 30 mg Etoricoxib täglich kostet knapp CHF 12.10 pro Woche. Diclofenac- und Naproxen-Generika sind in üblichen Dosen etwas billiger (zwischen 8 und 10 Franken pro Woche).

Kommentar

Etoricoxib weist eine frappante Ähnlichkeit mit Rofecoxib (Vioxx®) auf: Seine entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung ist nicht besser als diejenige anderer Antirheumatika. Etoricoxib hat offensichtlich das Potential, kardiovaskuläre Komplikationen zu verursachen; der Blutdruck steigt unter Etoricoxib stärker an als unter Diclofenac und thromboembolische Ereignisse sind häufiger als unter Naproxen. In Bezug auf gefährliche gastro-intestinale Komplikationen hatte Rofecoxib sogar einen kleinen Vorteil; im Gegensatz dazu sind Blutungen und Perforationen unter Etoricoxib nicht seltener als unter den Vergleichssubstanzen.

Daraus ergibt sich für Etoricoxib eine klar negative Bilanz. Der Entscheid der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA), das Präparat in den USA nicht zuzulassen, ist zwanglos nachvollziehbar.

Standpunkte und Meinungen

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Etoricoxib (25. November 2009)
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pharma-kritik, 31/No. 6
PK690
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