Magen-Darm-Komplikationen von Antirheumatika

Obwohl heute die gastro-intestinalen und kardiovaskulären Risiken der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) gut bekannt sind, stellen diese Medikamente immer noch eine wichtige therapeutische Option dar. Das britische «Drug and Therapeutics Bulletin» hat sich in der Nummer vom Februar 2011 mit der Frage befasst, wie sich die von diesen Medikamenten verursachten Magen-Darm-Probleme reduzieren liessen.(1) Diese Übersicht wird im Folgenden zusammengefasst.

Die schmerzlindernden und entzündungshemmenden Wirkungen der NSAR beruhen wahrscheinlich hauptsächlich auf der Hemmung der Zyklooxygenase 2 (COX-2), während die Hemmung der COX-1 für die gastro-intestinalen Nebenwirkungen bedeutsam ist. Deshalb wurden auch Medikamente entwickelt, die die COX-2 selektiv hemmen. Eine Meta-Analyse von 16 Beobachtungsstudien lässt ferner vermuten, dass gastro-duodenale Ulzera unter NSAR bei den Personen häufiger sind, bei denen sich ein Helicobacter-Infekt nachweisen lässt.(2)

Selektive Hemmung der COX-2

Gemäss einer grossen retrospektiven Kohortenstudie sind Ulzera und gastro-intestinale Blutungen unter nicht-selektiven NSAR und unter selektiven COX-2-Hemmern gleich häufig.(3) In einer Meta-Analyse von 17 randomisierten Studien fand sich jedoch eine signifikant kleinere Zahl von Ulkus-bedingten Problemen unter (verschiedenen) COX-2-Hemmern als unter nicht-selektiven NSAR («Number Needed to Treat» = 116). Personen, die gleichzeitig auch mit (niedrig dosierter) Acetylsalicylsäure behandelt werden, haben einen geringeren Nutzen von COX-2-Hemmern.(4) Andere systematische Übersichten ergaben für einzelne COX-2-Hemmer ebenfalls einen Vorteil bezüglich peptischer Symptome und Komplikationen, wobei jedoch nur eine kleine Zahl der Behandelten profitierte; z.B. betrug die «Number Needed to Treat» 723, um mit Celecoxib (Celebrex®) gegenüber nicht-selektiven NSAR eine schwere Ulkuskomplikation zu verhüten.

Unter NSAR kommen auch Komplikationen im unteren intestinalen Bereich vor, beispielsweise an Divertikeln. Zusammengefasste Daten von drei Doppelblindstudien ergaben bezüglich Perforationen oder Blutungen im unteren Intestinum keinen signifikanten Unterschied zwischen Etoricoxib (Arcoxia®) und Diclofenac (Voltaren® u.a.).(5)

Zugabe eines Protonenpumpenhemmers

In der bereits erwähnten Kohortenstudie profitierten Personen, die mit nicht-selektiven NSAR oder COX-2-Hemmern behandelt wurden, in ähnlichem Ausmass von der Zugabe eines Protonenpumpenhemmers (PPI).(3) Nach den Resultaten einer Meta-Analyse, die sechs randomisierte Studien umfasste, vermag die Zugabe eines PPI zu nicht-selektiven NSAR das Auftreten von endoskopisch nachweisbaren gastro-duodenalen Ulzera hochsignifikant zu reduzieren.(6) Es bestehen allerdings Zweifel, ob endoskopisch sichtbare Läsionen ein geeignetes Mass für klinisch relevante gastro-duodenale Ulzera sind. In einer 12-Monats-Studie bei Personen mit einem hohen gastro-duodenalen Blutungsrisiko hatten Personen unter Celecoxib + PPI keine Blutung, während 9% der nur mit Celecoxib Behandelten bluteten.(7) Es gibt aber auch Studienresultate, wonach sich mit der Zugabe eines PPI zu einem nicht-selektiven NSAR nicht mehr erreichen liesse als durch die alleinige Verabreichung eines selektiven COX-2-Hemmers.

In einer randomisierten Studie bei Helicobacter-negativen Personen, die täglich eine kleine Acetylsalicylsäure-Dosis nahmen, fand sich eine signifikant reduzierte Zahl gastro-duodenaler Ulzera, wenn ein PPI zugegeben wurde («Number Needed to Treat» = 26).(8)

Bei der Verabreichung eines PPI ist zu berücksichtigen, dass PPI eventuell nosokomiale Infektionen mit Clostridium difficile begünstigen können. Epidemiologische Studien weisen ausserdem auf die Möglichkeit der Häufung von Frakturen unter PPI hin.

Zugabe von Misoprostol

Gibt man zu NSAR zusätzlich Misoprostol (Cytotec® – auch unter dem Namen Arthrotec® als Kombination mit Diclofenac erhältlich), so finden sich endoskopisch 74% weniger Magenulzera und 58% weniger Duodenalulzera als ohne Misoprostol.(4) Gefährliche NSAR-Komplikationen wie Blutungen oder Perforationen waren unter Misoprostol in einer grossen Studie ebenfalls seltener als unter Placebo («Number Needed to Treat» = 260); in derselben Studie schieden aber mit Misoprostol Behandelte wegen Durchfall signifikant häufiger vorzeitig aus.(9) Gemäss den Resultaten von vier Studien ist Misoprostol bezüglich Magenulzera gleich gut wirksam wie PPI; die letzteren verhüten jedoch mehr Duodenalulzera.

Andere präventive Massnahmen

Die Zugabe von H2-Rezeptorantagonisten wie Ranitidin (Zantic® u.a.) kann – besonders in hoher Dosierung – endoskopisch nachweisbare Ulzera reduzieren. Ob dies auch einer Prävention klinisch relevanter Komplikationen entspricht, ist nicht dokumentiert.

Bei Helicobacter-positiven Personen, die mit einem NSAR behandelt werden sollen, verhütet die Eradikation von Helicobacter pylori endoskopisch sichtbare peptische Ulzera besser als keine Eradikation oder eine PPI-Zugabe; die entsprechende «Number Needed to Treat» beträgt 17. Eine Subgruppen-Analyse lässt allerdings annehmen, dass Personen, die bereits NSAR erhalten, nicht von einer Eradikation profitieren.(10)

Schlussfolgerungen

In den Schlussfolgerungen wiederholt das «Drug and Therapeutics Bulletin» den Hinweis auf die Notwendigkeit, NSAR (auch selektive COX-2-Hemmer) wenn immer möglich nicht hochdosiert und langfristig zu verabreichen und an das erhöhte gastro-intestinale Risiko bei gleichzeitiger Gabe von NSAR und Acetylsalicylsäure zu denken. Bei Personen, die während längerer Zeit mit einem NSAR (bzw. mit einem COX-2-Hemmer) behandelt werden müssen, können PPI die gastro-intestinalen Nebenwirkungen reduzieren. Dennoch bleibt ein Rest-Risiko von gefährlichen  Komplikationen im oberen Magen-Darmtrakt bestehen. Auch kann die Zugabe eines PPI die gastro-intestinalen Nebenwirkungen wohl reduzieren, nicht aber die allen (selektiven und nicht-selektiven) NSAR eigene kardiovaskuläre Toxizität.

Die Bevorzugung von COX-2-Hemmern erscheint aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt, da sich die entsprechenden Meta-Analysen nicht auf die aktuell erhältlichen COX-2-Hemmer beschränken und deshalb durch die Studien mit Rofecoxib (Vioxx®) beeinflusst sind, das bekanntlich bezüglich Magen-Darm bessere Resultate als andere COX-2-Hemmer lieferte.

Standpunkte und Meinungen

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Magen-Darm-Komplikationen von Antirheumatika (25. März 2011)
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pharma-kritik, 32/No. 13
PK804
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