Chronische Leukämien

Die chronische myeloische und die chronische lymphatische Leukämie kommen mehrheitlich bei älteren Leuten vor. Sie zeichnen sich, auch dank der modernen Behandlungsmöglichkeiten, in vielen Fällen durch einen relativ gutartigen Verlauf aus. Davon abgesehen handelt es sich aber um zwei ganz verschiedenartige Erkrankungen, die gesondert betrachtet werden müssen.

Chronische myeloische Leukämie

Die chronische myeloische Leukämie (CML) tritt mit einer jährlichen Inzidenz von 1 bis 2 pro 100’000 auf. Ihr Altersgipfel bewegt sich zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr.

Die Ursache der CML liegt in einer reziproken Transloka­tion zwischen zwei Chromosomen – das ABL-Gen von Chromosom 9 verbindet sich mit dem BCR-Gen von Chromosom 22 –, woraus das sogenannte Philadelphia-Chromosom mit dem fusionierten BCR-ABL-Gen entsteht, einem Onkogen, das Proteine mit deregulierter Tyrosinkinase-Aktivität kodiert.

Die CML kann anfänglich symptomlos verlaufen oder sich unspezifisch in Müdigkeit, Malaise oder Gewichtsverlust äussern. Wegweisend für die Diagnose ist die Leukozytose; oft findet sich auch eine Thrombozytose. Bei der Leukozytendifferenzierung fallen Linksverschiebung (mit allen Vorstufen der myeloischen Reihe), Eosinophilie und Basophilie auf. In rund der Hälfte der Fälle besteht eine Splenomegalie. Gesichert wird die Diagnose durch den Nachweis des Philadelphia-Chromosoms oder des BCR-ABL-Fusionsgens.(1)

Unbehandelt durchläuft die CML drei Stadien: die chronische und die akzelerierte Phase sowie den Blastenschub.

Das Ansprechen auf eine Behandlung lässt sich auf verschiedenen Stufen abbilden, und zwar hämatologisch (Abnahme der Leukozyten- und Blastenzahl, Rückgang der Splenomegalie), zytogenetisch (Abnahme der Philadelphia-Chromosom-Metaphasen) sowie molekular (Abnahme der BCR-ABL-Kopien). Als Ziel einer Behandlung gilt ein komplettes zytogenetisches Ansprechen, das heisst das Verschwinden von Philadelphia-Chromosom-positiven Metaphasen – was auch ein prognostischer Faktor ist, indem es eine verbesserte Überlebenswahrscheinlichkeit verspricht. Auf molekularer Ebene sind einerseits das komplette Ansprechen (kein Nachweis von BCR-ABL-Kopien), andererseits das umfassende Ansprechen («major molecular response» = Abnahme der BCR-ABL-Kopien um einen Faktor 1000) als Endpunkte definiert.

Bei der Therapie der CML diente Hydroxyharnstoff (Litalir®) lange als Hauptmedikament. Die Substanz führt jedoch einzig zu einer hämatologischen Remission und wird nur noch eingesetzt, wenn eine rasche Senkung einer erhöhten Blutzellzahl nötig ist (Zytoreduktion). Nachfolgend kam die Behandlung auf der Basis von Interferon alfa (Intron A®, Roferon A®) auf, womit in bis zu einem Drittel der Fälle auch eine zytogenetische Remission erreicht werden kann. Unterdessen haben sich Tyrosinkinasehemmer als Standardmedikamente etabliert, da sie einer Mehrheit der Behandelten zu einer langfristigen und auch molekularen Remission verhelfen. Prototyp ist Imatinib (Glivec®), das vor rund zehn Jahren eingeführt wurde. Die Tyrosinkinasehemmer verbinden sich mit BCR-ABL-Proteinen und bremsen die Tyrosinkinase-Aktivität, was der Tumorzellproliferation entgegenwirkt. Dasatinib (Sprycel®) und Nilotinib (Tasigna®), zwei neuere Tyrosinkinasehemmer, blockieren ausserdem gewisse mutierte BCR-ABL-Formen, die gegenüber Imatinib resistent sind.

Personen mit neu diagnostizierter CML kann man anhand von Alter, Zellzahlen und Milzgrösse in Risikogruppen aufteilen (Sokal-, Hasford- oder EUTOS-Skala), die das Ansprechen auf eine medikamentöse Behandlung abschätzen lassen. (Sobald eine komplette zytogenetische Remission eingetreten ist, verlieren diese Risikoeinteilungen aber ihre prognostische Bedeutung.)

Erstbehandlung mit Tyrosinkinasehemmern

Die eminente Rolle der Tyrosinkinasehemmer wurde durch die vor zehn Jahren veröffentlichte IRIS-Studie begründet. 1106 Personen, die sich in der chronischen Phase einer CML befanden, erhielten Imatinib (400 mg/Tag) oder die Kombination von Interferon alfa und Cytarabin (Cyto­sar® u.a.), die damals als wirksamste Behandlung angesehen wurde. Nach 18 Monaten betrug die progressionsfreie Überlebensrate in der Imatinib-Gruppe 97% und in der Kontrollgruppe 92%; auch die hämatologischen und zytogenetischen Ansprechraten waren unter Imatinib signifikant höher.(2) Angesichts der Überlegenheit von Imatinib wurden die meisten Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen mit dem Tyrosinkinasehemmer weiterbehandelt, so dass sich keine kontrollierten Langzeit-Daten gewinnen liessen. Aus historischen Vergleichen kann man aber ableiten, dass mit Imatinib auch ein Überlebensvorteil verbunden ist.(3) Von den Personen, die in der IRIS-Studie mit Imatinib behandelt wurden, lebten nach 8 Jahren noch 85%.(4)

Da unter der Imatinib-Dosis von 400 mg/Tag auf molekularer Ebene eine Krankheitsaktivität nachweisbar bleiben kann, hat man auch untersucht, ob sich das Ergebnis mit einer höheren Dosis (600 bis 800 mg/Tag) optimieren lässt. Wie es scheint, führt höherdosiertes Imatinib zwar zu einem rascheren Ansprechen, im längerfristigen Verlauf aber nicht zu einer signifikanten Verbesserung.(3)

Dasatinib und Nilotinib wurden ursprünglich eingeführt zur Behandlung, wenn Imatinib nicht mehr wirkt. Wie neuere Studienergebnisse zeigen, können die beiden Substanzen indessen auch bei der Erstlinien-Therapie verwendet werden. 519 Personen mit neu diagnostizierter CML verordnete man Dasatinib (100 mg/Tag) oder Imatinib (400 mg/Tag). Nach 12 Monaten fand sich in der Dasatinib-Gruppe bei 77% eine komplette zytogenetische Remission und in der Imatinib-Gruppe bei 66%. Auch die molekulare Ansprechrate übertraf bei Dasatinib diejenige von Imatinib.(5) Nilotinib (2-mal 300 oder 400 mg/Tag) und Imatinib (400 mg/Tag) wurden in einem Kollektiv von 846 Personen miteinander verglichen. Hier wurde das umfassende molekulare Ansprechen als primärer Endpunkt gewählt. Nach 12 Monaten betrug es in den beiden Nilotinib-Gruppen 44% bzw. 43%, in der Imatinib-Gruppe 22%.(6)

Zum Einsatz bzw. zur Wahl der Tyrosinkinasehemmer existieren momentan drei verschiedene und auch vom jeweiligen Behandlungszentrum abhängige Strategien: (1) Als Erstmedikament wird immer Imatinib verwendet, bei ungenügendem Ansprechen auf einen neueren Tyrosinkinasehemmer gewechselt; (2) Personen, die sich einer günstigen Risikokategorie zuordnen lassen, werden primär mit Imatinib behandelt, während man in den anderen Fällen Dasatinib oder Nilotinib einsetzt; (3) es wird auf Imatinib verzichtet und in jedem Fall einer der neueren Tyrosinkinasehemmer vorgezogen.

Die Entscheidung zwischen Dasatinib und Nilotinib wird bestimmt durch Einnahmemodus und Preis, die sich bei beiden unterscheiden; so kann Dasatinib im Gegensatz zu Nilotinib nur einmal täglich und unabhängig vom Essen eingenommen werden, kostet aber mehr. Eine Rolle können auch die zu erwartenden Nebenwirkungen spielen (siehe unten).(7)

Die Behandlung mit Tyrosinkinasehemmern sollte bei gutem Ansprechen auf unbestimmte Zeit fortgeführt werden. Es wird gegenwärtig untersucht, ob die Therapie nach langjähriger kompletter molekularer Remission bei bestimmten Patienten und Patientinnen vielleicht gestoppt werden kann.

Resistenzentwicklung und Krankheitsprogression

Ein Charakteristikum der CML besteht darin, dass das BCR-ABL-Gen instabil ist und im Krankheitsverlauf Mutationen entstehen, bei denen Tyrosinkinasehemmer unwirksam sein können. Man erhofft sich deshalb, dass eine möglichst frühzeitige Behandlung mit einem Tyrosinkinasehemmer die BCR-ABL-Aktivität so unterdrückt, dass auch das Auftreten von Mutationen gebremst wird.(8)

Eine primäre Resistenz auf Tyrosinkinasehemmer kommt selten vor. Mehrheitlich entwickeln sich Resistenzen sekundär als Folge von BCR-ABL-Mutationen und zum Teil auch über BCR-ABL-unabhängige Mechanismen. Falls eine Resistenz auf Imatinib auftritt, ist in der Regel ein Wechsel auf Dasatinib oder Nilotinib angezeigt.(9)

In der akzelerierten Phase oder im Blastenschub kommen ebenfalls Tyrosinkinasehemmer zum Einsatz, wobei die Wahl der Substanz von der vorgängigen Therapie abhängt. Wenn Tyrosinkinasehemmer nicht mehr wirken, ist die allogene Stammzelltransplantation als potentiell kurative Behandlung zu erwägen.

Nebenwirkungen von Tyrosinkinasehemmern

Als häufigste Nebenwirkung von Tyrosinkinasehemmern tritt initial eine Myelosuppression auf mit einer Abnahme der peripheren Blutzellen (Anämie, Neutropenie oder Thrombozytopenie), was zuweilen einen Therapieunterbruch erfordern kann. Nicht-hämatologische Nebenwirkungen sind Übelkeit, Durchfall, Flüssigkeitsretention (periphere Ödeme, Pleuraergüsse), Leberenzymanstieg, Elektrolytverschiebungen, Hautausschläge, Muskelkrämpfe, Knochen- und Gelenkschmerzen sowie Müdigkeit. Als kardiale Probleme sind Linksherzinsuffizienz und bei Dasatinib und Nilotinib QT-Verlängerung beschrieben. Unter Nilotinib kann ein Anstieg des Blutzuckers und der Lipaseaktivität vorkommen. Wie es scheint, besteht zwischen den einzelnen Tyrosinkinasehemmern nicht zwangsläufig eine Kreuzunverträglichkeit.(10)

Tyrosinkinasehemmer werden als embryo- und fetoxisch betrachtet und sollten in der Schwangerschaft vermieden werden; als Alternative bietet sich Interferon alfa an.

Interaktionen von Tyrosinkinasehemmern

Die Tyrosinkinasehemmer werden über CYP3A4 metabolisiert, so dass Hemmer oder Induktoren dieses Zytochroms zu einem verlangsamten oder beschleunigten Abbau führen. Imatinib ist ein schwacher Hemmer von CYP2D6 und CYP2C19, Nilotinib von CYP2C8/9, CYP2D6 und der Glukuronyltransferase UGT1A1. Dasatinib weist eine pH-abhängige Löslichkeit auf, weshalb säurehemmende Substanzen (Protonenpumpenhemmer oder H2-Blocker) die Resorption vermindern können.

Allogene Stammzelltransplantation

Die allogene Stammzelltransplantation kann wegen der nicht unerheblichen transplantationsassoziierten Mortalität und Morbidität hinsichtlich Gesamtüberlebensrate bislang nicht mit den Tyrosinkinasehemmern konkurrieren. Sie wird deshalb im Allgemeinen als eine Möglichkeit einer Zweit- oder Drittlinienlinientherapie angeboten, wenn Tyrosinkinasehemmer nicht mehr wirken.

Chronische lymphatische Leukämie

Die chronische lymphatische Leukämie (CLL), die den niedrigmalignen Non-Hodgkin- bzw. indolenten Lymphomen zugerechnet wird, zeigt eine jährliche Inzidenz von 5 auf 100’000 und einen Altersgipfel um das 70. Lebensjahr.
Die Diagnose der CLL beruht auf der Zellzahl und -morphologie sowie auf der Immunphänotypisierung. Erforderlich ist eine mindestens drei Monate anhaltende Lymphozytose mit einer Zahl klonaler B-Lymphozyten von mehr als 5000/mcl im peripheren Blut. Die Lymphozyten sind mehrheitlich klein, ausgereift und akkumulieren in Blut, Knochenmark, Lymphknoten und Milz. Mit der Durchflusszytometrie der zirkulierenden Lymphozyten kann die Klonalität der B-Lymphozyten nachgewiesen werden, wobei sich als typischer Immunphänotyp positive Oberflächenantigene CD19, CD20, CD23 und eine Ko-Expression von CD5 zeigen. Wenn sich die Lymphozyten nicht im Blut oder Knochenmark, sondern nur in lymphozytärem Gewebe anhäufen, spricht man statt von einer CLL von einem kleinzelligen lymphozytischen Lymphom. Mit der Immunphänotypisierung wird die CLL auch abgegrenzt von anderen niedrigmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen.

Die CLL beginnt schleichend und wird oft durch eine aus einem anderen Grund veranlasste Blutuntersuchung entdeckt. Als häufigstes Symptom tritt eine Lymphadenopathie auf; auch Milz und Leber können vergrössert sein. Sogenannte B-Symptome (Fieber, Nachtschweiss, Müdigkeit oder Gewichtsverlust) kommen meist erst im späteren Verlauf vor. Oft besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit, die durch eine Hypogammaglobulinämie oder andere Immundefekte bedingt sein kann. Von Autoimmunkomplikationen (Immunthrombozytopenie, autoimmunhämolytische Anämie u.a.) sind 10 bis 20% aller Patienten und Patientinnen betroffen.

Mithilfe klinischer Befunde – Ausmass der Lymphadenopathie, Vorhandensein von Anämie, Thrombozytopenie oder Hepatosplenomegalie – werden drei Risikokategorien gebildet, wofür man die Klassifizierungssysteme nach Binet oder Rai verwendet. Diese klinische Stadieneinteilung lässt sich durch weitere prognostische Faktoren verfeinern. Dazu gehören die absolute Lymphozytenzahl, die Lymphozyten-Verdoppelungszeit, das Ausmass der Knochenmarksinfiltration, der Anteil an atypischen Lymphozyten, der Beta2-Mikroglobulin-Spiegel und die Thymidinkinase-Aktivität. Eben­falls werden zytogenetische und molekulare Marker analysiert. So zeigen sich oft Chromosomenaberrationen oder Mutationen in den Gen-Regionen, die für die Expres­sion der variablen Domäne der Immunglobulin-Schwerketten verantwortlich sind – alles Elemente, die sich in unterschiedlicher Weise auf die Prognose auswirken. Im klinischen Alltag ist insbesondere die 17p-Chromosomendele­tion von Bedeutung, da dieser Subtyp meistens mit einem schlechten Therapieansprechen und einer ungünstigen Prognose verbunden ist.

Die Indikation für eine Behandlung richtet sich in erster Linie nach dem klinischen Stadium. Personen, die keine Symptome aufweisen und in die Binet-Gruppe A oder B bzw. in die Rai-Gruppe 0 bis II fallen (niedriges bis mittelgradiges Risiko), verdienen eine abwartende Haltung, da bislang nicht gezeigt ist, dass eine Behandlung bei asymptomatischen Patienten und Patientinnen einen Überlebensvorteil bietet. Mit einer Therapie muss man sich befassen, wenn Symptome auftreten oder Hinweise für ein rasches Fortschreiten der Krankheit bestehen; darunter fallen auch gehäufte Infekte oder Autoimmunzytopenien, die schlecht auf Steroide ansprechen.

Der Erfolg einer Behandlung wird daran gemessen, wie sich die Lymphozytenzahl, Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie und Symptome reduzieren lassen.

Monotherapie

Als erstes Medikament für die CLL-Behandlung stand das Alkylans Chlorambucil (Leukeran®) zur Verfügung – mit dem sich allerdings kaum je eine komplette Remission erreichen lässt. Weil Chlorambucil oral verabreicht werden kann und sich durch eine relativ gute Verträglichkeit auszeichnet, bleibt es eine gute Wahl bei Leuten höheren Alters oder mit relevanten Begleiterkrankungen.

Eine bessere Wirksamkeit als Alkylantien zeigen Purinanaloga, die in der Schweiz durch Fludarabin und Cladribin (Leustatin®, Litak®) vertreten sind. Metaanalysen zufolge – die neueste wurde vor knapp einem Jahr publiziert(11)– führt eine Monotherapie mit Purinanaloga im Vergleich zu einer Chemotherapie mit Alkylantien zu einer signifikanten Verlängerung der progressionsfreien Überlebenszeit, allerdings ohne Einfluss auf das Gesamtüberleben.

Bendamustin (Ribomustin®) ist eine langbekannte Substanz, die aber erst vor wenigen Jahren für die CLL-Behandlung zugelassen wurde. Es besitzt strukturell und funktionell Eigenschaften sowohl eines Alkylans wie eines Purinanalo­gons. In einem Vergleich mit Chlorambucil ergab sich mit Bendamustin eine deutliche Verlängerung der progressionsfreien Überlebenszeit von 22 gegenüber 8 Monaten, aber ebenfalls keine Verbesserung der Gesamtüberlebensrate.(12)

Auch monoklonale Antikörper können bei der CLL verwendet werden. Mit Alemtuzumab – das sich an das auf Lymphozyten sitzende CD52-Oberflächenprotein bindet – erreichte man in einer Studie ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben als mit Chlorambucil (15 gegenüber 12 Monaten).(13) Alemtuzumab scheint besonders wirksam zu sein bei prognostisch ungünstigen Konstellationen (Deletion des Chromosoms 17 u.a.). Es kann zu einer ausgeprägten Immunsuppression führen, mit der Gefahr opportunistischer Infekte. Alemtuzumab wurde aus kommerziellen Gründen im letzten Jahr vom Markt genommen (es soll als Medikament bei multipler Sklerose neu positioniert werden) und kann nur noch via spezielle Patientenprogramme eingesetzt werden. Rituximab (MabThera®), gegen das CD20-Oberflächenprotein gerichtet, ist ein anderer monoklonaler Antikörper, der bei der CLL geprüft wurde, hat sich aber bei der Monotherapie als zu wenig wirksam erwiesen.

Die Monotherapie mit Zytostatika hat heute ihren Platz vor allem bei Patienten und Patientinnen, denen man aufgrund von Alter oder Begleiterkrankungen keine KombinationsChemotherapie oder Antikörper-Behandlung zumuten möchte.

Kombinationstherapie

Da Alkylantien und Purinanaloga ergänzend wirken und ein unterschiedliches Nebenwirkungsspektrum aufweisen, lassen sie sich zusammen verabreichen. Als eine gut untersuchte Kombination hat sich dabei Fludarabin plus Cyclophosphamid festgesetzt; sie führt zu einem signifikant längeren progressionsfreien Überleben als Fludarabin allein.(14) Als ebenbürtig kann Cladribin plus Cyclophosphamid beurteilt werden.(15)

Eine eindeutige Verbesserung der Prognose lässt sich erreichen, wenn man eine Zytostatika-Kombination mit einem monoklonalen Antikörper ergänzt (Chemoimmunotherapie). So wurde nachgewiesen, dass sich die Zugabe von Rituximab zu Fludarabin/Cyclophosphamid gegenüber alleinigem Fludarabin/Cyclophosphamid auch in einem Anstieg der Gesamtüberlebens-Wahrscheinlichkeit niederschlägt (3-Jahresüberlebensrate von 87% gegenüber 83%). Wie eine Subgruppenanalyse ergab,  lässt sich das Resultat nicht auf Personen mit einer Chromosom-17-Aberration übertragen: deren – ohnehin relativ schlechte – Prognose wird durch Rituximab nicht entscheidend verändert.(16) Auch Alemtuzumab wurde zusammen mit Fludarabin/Cyclophosphamid untersucht; indessen rief diese Dreierkombination schwere Neutropenien hervor und sollte nicht mehr eingesetzt werden.(16)

Eine Alternative zur Kombination Fludarabin/Cyclophosphamid/Rituximab stellt möglicherweise die Kombination Bendamustin/Rituximab dar. Die beiden Therapieschemen werden momentan in einer Phase-III-Studie miteinander verglichen.

Die Chemoimmunotherapie in einer Zweier- oder Dreierkombination gilt heute als Standardbehandlung bei eher jüngeren bzw. ansonsten gesunden Leuten.

Rückfallbehandlung

Bei einem Rückfall hängt die Behandlung von der Remis­sionsdauer ab. Bei einer ein- bis mehrjährigen Remission steht eine Wiederholung der ursprünglichen Behandlung im Vordergrund. Bei einer kürzer dauernden Remission sollte eine andere Therapie, zum Beispiel mit Alemtuzumab, gewählt werden. Ofatumumab (Arzerra®), ein weiterer monoklonaler CD20-Antikörper, kann nach Vorbehandlung mit Fludarabin, Alemtuzumab und Rituximab versucht werden. In Frage kommen kann auch Lenalidomid (Revlimid®); es sollte aber nur innerhalb einer klinischen Studie verwendet werden.

Allogene Stammzelltransplantation

Die allogene Stammzelltransplantation ist bei der CLL ähnlich zu bewerten wie bei der CML. Da relativ komplika­tionsreich, steht sie bei der CLL zur Rückfallbehandlung lediglich zur Diskussion, wenn keine relevanten Begleiterkrankungen vorhanden sind.

Schlussfolgerungen

Wie bei anderen Krebserkrankungen versucht man heute bei den chronischen Leukämien, anhand spezifischer Tumor­eigenschaften in verschiedene Risikokategorien zu unterteilen und daraus eine der jeweiligen Situation angepasste Behandlung abzuleiten.

Bei der CML ergibt die Diagnose die Indikation für eine Behandlung. Medikamente der Wahl sind die Tyrosinkinasehemmer, wobei unterschiedliche Fachmeinungen vorherrschen, ob primär Imatinib oder eine der neueren Substanzen zu bevorzugen sei. Dank der Tyrosinkinasehemmer lassen sich in vielen Fällen langjährige Remissionen erreichen.

Bei der CLL wird erst mit einer Behandlung begonnen, wenn sich Symptome manifestieren (in rund einem Drittel der Fälle verläuft die Erkrankung so gutartig, dass sie unbehandelt bleiben kann). Die Therapien, die zur Auswahl stehen, hängen stark von den individuellen Gegebenheiten ab: bei älteren oder komorbiden Personen stehen Zytostatika-Monotherapien im Vordergrund, während in den anderen Fällen eine aggressivere, jedoch auch nebenwirkungsreichere Kombination von Zytostatika und monoklonalen Antikörpern in Frage kommt.

Die allogene Stammzelltransplantation ist bei der CML wie der CLL nur in Ausnahmefällen und zur Rückfallbehandlung eine Option.

Standpunkte und Meinungen

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Chronische Leukämien (15. März 2013)
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pharma-kritik, 35/No. 2
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