Aktuelle Antibiotikafragen

Während die Behandlung von Infektionskrankheiten allgemein weitere Fortschritte macht, sind nun seit bald 20 Jahren keine neuen antimikrobiellen Wirkstoffe mehr eingeführt worden, die in der Hausarztpraxis von Bedeutung wären. Im Gegenteil: wohl in erster Linie aus kommerziellen Gründen sind Präparate wie Roxithromycin (Rulid®) und Trimethoprim (als Monopräparat) verschwunden; auch von Benzylpenicillin ist nur noch ein einziges Präparat (Penicillin «Grünenthal») erhältlich. Die aktuelle Situation betrifft drei Bereiche: (1) zunehmende Antibiotika-Resistenzen, (2) Mangel an neuen Antibiotika und (3) zunehmende Komplexität der Behandlungsprobleme. Es hat sich auch gezeigt, dass verschiedene unerwünschte Antibiotika-Wirkungen, die grundsätzlich schon länger bekannt sind, vermehrt beachtet werden sollten. Im folgenden Text werden einige dieser Probleme besprochen und mögliche Strategien aufgezeigt.

Antibiotika-Resistenz

Dass bakterielle Erreger in der Regel auf gewisse Antibiotika resistent sind, ist so lange kein Problem, als geeignete Alternativen zur Verfügung stehen. Multiresistente Keime stellen dagegen heute mehr und mehr eine Herausforderung dar, in erster Linie in den Spitälern sowie allenfalls in Chronischpflege-Institutionen. Man kennt heute eine ganze Reihe von sogen. Problemkeimen.

Bei den Methicillin-resistenten Staphylokokken (MRSA) bestehen bedeutsame Resistenzen gegenüber vielen Antibiotika (u.a. gegenüber Aminoglykosiden, Chinolonen, Makroliden), die allerdings in den letzten Jahren nicht relevant zugenommen haben. Solche Keime werden beispielsweise auch im Universitätsspital Zürich beobachtet; hier haben die Resistenzen in den Jahren 2012 bis 2014 gegenüber früher (2004-2006) etwas abgenommen.(1)

Multiresistente Darmbakterien, die eine «extended spectrum beta lactamase» (ESBL) produzieren, sind gegen die üblichen Betalaktam-Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine) sowie teilweise gegen Chinolone resistent. ESBL-produzierende Bakterien, die den Darm besiedeln, verursachen nicht notwendigerweise eine Infektion. Ist dies jedoch der Fall, dann muss eventuell auf ein Carbapenem – z.B. Imipenem (in Imipenem/Cilastin = Tienam® u.a.) – ausgewichen werden. ESBL-produzierende Keime sind besonders in asiatischen Ländern (Indien, Thailand, Vietnam) verbreitet und finden sich auch auf Lebensmitteln, die aus diesen Ländern importiert werden. Um die Übertragung von solchen Bakterien einzuschränken, sind hygienische Massnahmen (Lebensmittel, Händewaschen) von entscheidender Bedeutung.

In der Schweiz werden Antibiotika-Resistenzen und Antibiotika-Verbrauch vom «Swiss Centre for Antibiotic resistance» überwacht (www.anresis.ch). Gemäss den Daten dieser Stelle werden in der Schweiz im internationalen Vergleich verhältnismässig wenig Antibiotika-Resistenzen beobachtet.

Weil E. coli und Klebsiellen, die gegenüber einem Carbapenem resistent sind, oft auch gegenüber vielen anderen Antibiotika resistent sind, werden sie besonders intensiv beobachtet. Die Zahl solcher Carbapenem-resistenter Darmbakterien hat in den letzten Jahren in der Schweiz zugenommen.

Wohl zu wenig beachtet sind die Resistenzen, die sich aus dem Antibiotika-Gebrauch in der Veterinärmedizin ergeben; ein entsprechendes Projekt beim «Swiss Centre for Antibiotic resistance» ist noch nicht über das Entwicklungsstadium hinaus gediehen. Auch die Rolle der Antibiotika-Kontamination des Wassers ist noch ungenügend geklärt. In einer Untersuchung zu vier antimikrobiellen Substanzen – Ciprofloxacin.(Ciproxin® u.a.), Erythromycin (Erythrocin®), Sulfamethoxazol und Trimethoprim – fanden sich einerseits grosse Unterschiede im Antibiotika-Konsum in verschiedenen Ländern, anderseits relativ niedrige Antibiotika-Konzentrationen im Wasser der europäischen Flüsse.(2)

Noch in den Anfängen ist die umfassende «Strategie Antibiotika-Resistenz» (StAR) – ein koordinierter Effort mehrerer Bundesämter. Mit StAR sollen unter Beteiligung der Human- und Veterinärmedizin sowie der Umweltverantwortlichen wirksame Massnahmen gegen die Entwicklung resistenter Keime entwickelt werden.

In der Praxis sind Resistenzprobleme in Einzelfällen durchaus vorhanden, z.B. bei Harnwegsinfekten (siehe unten).

Unerwünschte Wirkungen

Die Bedeutung unerwünschter Wirkungen von verschiedenen Antibiotika-Gruppen wird nicht einheitlich beurteilt. Dies beruht mindestens teilweise auf der Tatsache, dass die unerwünschten Wirkungen weit weniger sorgfältig erfasst werden als die erwünschten und deshalb mit geringerer Zuverlässigkeit gewertet werden können. Da zudem die Vorteile der Mittel mit viel grösserem Aufwand publik gemacht werden als die Nachteile, besteht das Risiko, die Probleme zu unterschätzen.

Makrolide

Dass die Makrolide zu einer Verlängerung des QT-Intervalls führen können, gilt heute als gut dokumentiert. Ob dies allerdings bei allen Makroliden zu klinisch relevanten Folgen führt, ist nicht restlos geklärt: Azithromycin (Zithromax® u.a.) könnte gemäss verschiedenen Studien kein nennenswertes Risiko darstellen.(3,4) In einer vor kurzem publizierten retrospektiven Kohortenstudie fand sich für Azithromycin, Clarithromycin (Klacid® u.a.) und Erythromycin gemeinsam kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko; in dieser Studie sind aber keine Zahlen zu den einzelnen Makroliden verfügbar.(5) Zu Clarithromycin hingegen fand sich in mehreren Studien ein signifikant erhöhtes Risiko von Arrhythmien und/oder anderen kardiovaskulären Ereignissen. Dies trifft auf die Anwendung von Clarithromycin bei verschiedenen Infektionskrankheiten zu.(6-8) Clarithromycin verursacht – mehr oder weniger selten – noch einige andere Nebenwirkungen:  Kopfschmerzen, Geschmacksveränderungen, Brechreiz, Durchfall, Niereninsuffizienz, Hyperkaliämie, Schädigung des N. vestibulocochlearis, Iris-Atrophie, psychotische Episoden. Da Clarithromycin ein starker CYP3A4-Hemmer ist, kann es eine Reihe von Interaktions-Problemen (z.B. Hypotonie, mit Antihypertensiva zusammen) verursachen. Damit gehört Clarithromycin zu den Medikamenten, die nur nach sorgfältiger Risikoabwägung – und in vielen Fällen besser nicht – verordnet werden sollten.

Chinolone

In der Praxis sind insbesondere die Resistenzen von Enterobacteriaceae auf Chinolone problematisch. Diese sind vorwiegend auf den (allzu) häufigen Einsatz dieser Medikamente bei Harnwegsinfekten zurückzuführen.(9) Chinolone sind jedoch zudem für ein weites Spektrum von unerwünschten Wirkungen verantwortlich. Neben Magen-Darm-Beschwerden (Brechreiz, Durchfall) sind gesamthaft andere Probleme relativ häufig. Dazu gehören unter anderem neurologische und psychiatrische Komplikationen, Arthralgien, Hautreaktionen, Leberschäden, Niereninsuffizienz. Obwohl Entzündungen und Rupturen von Sehnen offiziell als «sehr selten» bezeichnet werden, ist das Risiko z.B. einer Achillessehnenruptur unter einer Chinolonbehandlung auf das Dreifache erhöht.(10) Gehäuft sind auch Aortenaneurysmen (teilweise mit Dissektion)(11) und möglicherweise auch Netzhautablösungen. Eine vorbestehende Myasthenie kann sich unter Chinolonen verstärken. Auch die Chinolone – Moxifloxacin (Avalox® u.a.) und weitere – können zu einer QT-Verlängerung und damit allenfalls zu Arrhythmien führen. Gesamthaft sollte deshalb auch die Verordnung von Chinolonen sehr zurückhaltend erfolgen.

Cotrimoxazol

Cotrimoxazol (Bactrim® u.a.), das heute in grossem Stil zur Prophylaxe von Malaria und verschiedenen Infektionskrankheiten bei HIV-Kranken eingesetzt wird, hat – entgegen den oft geäusserten Meinungen, erhebliche Nebenwirkungen. Häufig ist insbesondere eine makulopapulöse Hautreaktion; andere kutane Nebenwirkungen sind seltener. Ebenfalls häufig kommen vor: Blutbildveränderungen (besonders Neutropenie), Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, Hyperkaliämie. Problematisch sind ferner verschiedene Interaktionen – mit oralen Antikoagulantien, ACE-Hemmern, Spironolacton (Aldactone® u.a.) – die zu lebensbedrohlichen Blutungen bzw. Hyperkaliämien führen können.

Weitere Antibiotika

Co-Amoxiclav (Augmentin® u.a.) verursacht sehr häufig Durchfall, insbesondere wenn das Medikament länger als 4-5 Tage verabreicht wird. Es ist eine der wichtigsten Ursachen von Antibiotika-induziertem Durchfall und damit auch von Clostridium-difficile-Kolitiden.(12)

Nitrofurantoin (Furadantin® u.a.) hat ein besonderes Nebenwirkungsspektrum. Es kann zu teilweise irreversiblen peripheren Neuropathien und allergischen Lungenerkrankungen führen. Die Lungenprobleme treten vereinzelt erst Monate nach der Nitrofurantoin-Verabreichung auf. Seltener sind hämatologische Komplikationen (z.B. eine hämolytische Anämie, bei Personen mit einem Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel), Hautreaktionen, Hepatotoxizität und neuropsychiatrische Symptome.

Fosfomycin (in der Schweiz nur als orales Präparat erhältlich: Monuril®) kann gastro-intestinale Probleme (Übelkeit, Durchfall), Kopfschmerzen, Hautreaktionen sowie eine Vulvovaginitis verursachen.(13)

«Antibiotika-Strategien»

Die Antibiotika-Verschreibung kann mit verschiedenen Methoden beeinflusst werden; so ist es möglich, ungünstige Verschreibungen zu vermeiden oder zu reduzieren. Neuere Studien zeigen Wege auf, wie dies realisiert werden kann:

Eine Möglichkeit, inadäquate Verschreibungen zu reduzieren, ist die direkte Einflussnahme auf Ärztinnen und Ärzten, die überdurchschnittlich viele Antibiotika verschreiben. In einer randomisierten Studie erhielten englische Arztpraxen, die diesem Kriterium entsprachen, eine schriftliche Empfehlung seitens des «Chief Medical Officers» sowie Informationsblätter zuhanden der Patientinnen und Patienten. Während für die Informationsblätter keine Wirkung gezeigt werden konnte, ergab der Brief mit den Empfehlungen (im Vergleich mit einer Gruppe, die keine Empfehlungen erhalten hatte) eine «substantielle» Reduktion der Antibiotika-Verschreibungen.(14)  Drei Verhaltens-orientierte Interventionen – jeweils allein oder in Kombination eingesetzt – wurden in einer amerikanischen Studie getestet: (1) Elektronisch präsentierte Vorschläge für Antibiotika-freie Alternativtherapien. (2) Die Verpflichtung, eine Antibiotika-Therapie jeweils schriftlich zu begründen. (3) Zustellung von E-Mails, die einen Vergleich der individuellen Verschreibepraxis mit derjenigen von «Leitfaden-treuen» Kolleginnen und Kollegen zeigten. Alle Interventionen waren erfolgreich, indem jede für sich eine Reduktion inadäquater Verschreibungen um 16 bis 18% erbrachte.(15)

Mit dem sogen. «Point of Care Testing» wird versucht, Erkrankungen, die mit Antibiotika tatsächlich gebessert werden können, zu erfassen. In der Schweiz hat sich beispielsweise die Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP) als vorteilhaft erwiesen: In einer Studie wurde bei Erwachsenen, die wegen eines Hustens in die Sprechstunde kamen, der CRP-Wert und die Leukozytenzahl bestimmt. 22% dieser Personen wurden Antibiotika verschrieben. Die Faktoren, die den Ausschlag zur Antibiotika-Therapie gaben, waren die am «Point of Care» bestimmten beiden Laborwerte sowie die Dauer der Symptome.(16)

Zu einem sinnvollen Entscheid, ob Antibiotika indiziert sind, kann auch die Bestimmung von Procalcitonin beitragen. Mehrere Arbeiten konnten zeigen, dass unter Berücksichtigung der Procalcitonin-Werte unnötige Antibiotika-Verschreibungen bei Atemwegsinfekten stark reduziert werden. Zurzeit stehen jedoch in der Schweiz keine Procalcitonin-Schnelltests zur Verfügung, die sich für die Anwendung in der Praxis eignen.

Es gibt noch viele weitere Studien, die alle zeigen, dass eine Antibiotika-Verordnung, die in der einen oder anderen Art aktiv begründet werden muss, wesentlich zurückhaltender ausfällt.

Praxis-Beispiele

Zu wichtigen Beispielen aus der Hausarztpraxis wurden sind aktuelle Empfehlungen verfügbar, die im Folgenden besprochen werden.

Atemwegsinfekte

Bei vielen Atemwegsinfekten überlagern sich Symptome und Diagnosen – Pharyngitis, Sinusitis und Bronchitis, manchmal auch eine Otitis media können entweder gleichzeitig vorhanden sein oder sich klar abgrenzen lassen. In allen diesen Fällen stellt sich für die Erkrankten und die Behandelnden die Frage nach dem Sinn einer antibiotischen Therapie. In einer neuen amerikanischen Übersicht sind die wichtigsten Antworten auf diese Frage zusammengestellt.(17)

Bei der Pharyngitis kann man sich primär von den sogen. Centor-Kriterien leiten lassen («Centor score», siehe Tabelle). Beträgt der Centor-Punktewert weniger als 3, kann auf weitere Tests verzichtet werden. Die McIsaac-Modifikation dieser Kriterien berücksichtigt zusätzlich das Alter (unter 15 Jahren = + 1 Punkt; ab 45 Jahren = – 1 Punkt). Besteht der Verdacht auf eine Streptokokken-Pharyngitis (Centor-Punktezahl≥3), ist ein entsprechender Schnelltest indiziert. Fällt dieser positiv aus, soll antibiotisch behandelt werden. Dabei sollte in erster Linie Amoxicillin (Clamoxyl® u.a.) berücksichtigt werden. Für Erwachsene beträgt die übliche Dosis 3x 1 g/Tag (für 5-10 Tage); man kann auch nach wie vor mit oralem Phenoxymethylpenicillin (Ospen® u.a.) behandeln. Bei einer Pencillinallergie kommt Azithromycin (500 mg/Tag, für 3 Tage) in Frage. Bei Kranken mit ungewöhnlichen Symptomen (z.B. ausgeprägte Schluckbeschwerden, Schwellung des Halses) sollte man an seltenere Pathologien (Abszesse, Epiglottitis, Lemierre-Syndrom) denken. Ob bei jungen Erwachsenen eine Infektion mit Fusobacterium necrophorum eine wichtige ursächliche Rolle spielt, ist noch nicht definitiv geklärt.

Bei einer akuten Rhinosinusitis bringen Antibiotika in der Regel keinen Nutzen, da sie meistens viral verursacht ist. Es gibt keinen einfachen klinischen Test, der eine mögliche bakterielle Sinusitis identifizieren würde. Hinweise auf einen bakteriellen Infekt sind langanhaltende Symptome (>10 Tage), hohes Fieber und eine sekundäre Verschlechterung nach initialer Besserung. Man kann deshalb zuerst abwarten («watchful waiting»). Wenn ein Antibiotikum indiziert erscheint, wird meistens Co-Amoxiclav (z.B. 2x 875/125 mg/Tag, für 5-6 Tage) oder Doxycyclin (2x 100 mg/Tag, für 5-7 Tage) empfohlen.

Bei einer akuten Bronchitis sind, wie in einer in dieser Zeitschrift kürzlich zusammengefassten Arbeit ausgeführt,(18) Antibiotika überflüssig. Für anderweitig gesunde, immunkompetente Personen unter 70 muss nicht an eine Bronchopneumonie gedacht werden, wenn Tachykardie (>100/Min), Tachypnoe (>24 Respirationen/Min), hohes Fieber (>38°C) oder abnorme Befunde bei der Thoraxuntersuchung fehlen.

Otitis media: Gemäss einer aktuellen amerikanischen Guideline gilt die Regel immer noch, dass Kinder mit einer Otitis media bis zum Alter von zwei Jahren antibiotisch behandelt werden sollten.(19) Bei jungen Kindern kann in leichten Fällen (mit wenig schmerzhafter, nur einseitiger Otitis, ohne hohes Fieber) eventuell initial für 2-3 Tage mit den Antibiotika zugewartet werden. Dasselbe gilt für Kinder im Alter über 2 Jahre auch bei bilateraler Otitis. In vielen Ländern stellt in diesen Fällen das initiale Abwarten die Option der Wahl dar. Bei starken, anhaltenden Ohrenschmerzen und hohem Fieber (>39°C) ist eine antibiotische Behandlung immer angezeigt. Mittel der Wahl ist Amoxicillin (80-90 mg/kg/Tag, in zwei Dosen, für 5 Tage), bei Rückfällen Co-Amoxiclav, bei Pencillinallergie ein Cephalosporin, allenfalls mit Clindamycin (Dalacin® C u.a.) kombiniert.

Bei (ausserhalb des Spitals erworbenen) Bronchopneumonien hat sich in den letzten Jahren wenig verändert. Aktuelle Fragen beziehen sich weniger auf die Behandlung in der Hausarztpraxis als auf das Vorgehen bei Kranken, die hospitalisiert werden müssen (Monotherapie oder Kombination von Betalaktam und Makrolid? Zusatztherapie mit Kortikosteroiden?). Wenn keine Hospitalisation notwendig ist, können gemäss einer vor ein paar Jahren referierten Übersicht Personen bis zu 50 Jahren mit einem Makrolid (Azithromycin, 500 mg/Tag für 3 Tage) behandelt werden, ältere Leute sollten zusätzlich ein Betalaktam (z.B. Cefuroxim = Zinat® u.a.) erhalten. Alternativ kommt ab 50 Jahren ein Chinolon (z.B. Levofloxacin = Tavanic® u.a.) in Frage.

Harnwegsinfekte

In Anbetracht der sich häufenden Resistenzen auf Chinolone sollten bei unkomplizierten Harnwegsinfekten bei Frauen andere Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden.(20,21) Bei Frauen mit Zystitis-Symptomen, die initial nicht antibiotisch, sondern nur mit Ibuprofen (Brufen® u.a.) behandelt wurden, ergab sich in zwei von drei Fällen eine Besserung ohne Antibiotika; diese Frauen hatten jedoch bedeutend mehr Beschwerden als Frauen, die Antibiotika erhielten.(22) Statt Chinolonen wird nach aktuellen Empfehlungen besser Fosfomycin-Trometamol (Monuril®, Einmaldosis von 3 g) gegeben. Unter den weiteren Möglichkeiten sind Cotrimoxazol und Nitrofurantoin zu erwähnen; diese beiden Mittel verursachen aber häufiger Nebenwirkungen. Ausser bei Schwangeren sollten asymptomatische Harnwegsinfekte nicht behandelt werden. Die Prävention rezidivierender Harnwegsinfekte ist nicht einfach; eine antibiotische Dauerprophylaxe ist mit gehäuften Nebenwirkungen und Resistenzentwicklungen verbunden.

Bei Kindern wird meistens empfohlen, während 3-5 Tagen Cotrimoxazol, Nitrofurantoin oder Co-Amoxicillin zu verabreichen. Allerdings sind für Harnwegsinfekte verantwortliche E. coli oft gegen verschiedene Antibiotika resistent, wenn auch in Mitteleurops seltener als in Ländern ausserhalb der OECD.(23)

Harnwegsinfekte bei älteren Männern werden mit Vorteil aufgrund einer Urinkultur mit Resistenzprüfung behandelt; das ganze Spektrum der bei Enterobacteriaceae wirksamen Antibiotika – Chinolone, Cotrimoxazol, Betalaktame – kommt in Frage. Wenn es sich um eine chronische Prostatitis handelt, ist eine Behandlung für 30 Tage angezeigt (meistens mit einem Chinolon).(24)

Ob bei der Entfernung eines Urin-Dauerkatheters routinemässig eine Antibiotikaprophylaxe zum Einsatz kommen soll, ist nicht definitiv gesichert.(25)

Standpunkte und Meinungen

  • Datum des Beitrags: 2. Juni 2016 (14:29:55)
  • Verfasst von: Dr.med. Thomas Schweri, Facharzt für Hals-, Nasen und Ohrenleiden (Allergiezentrum Biel)
  • Bemerkung des notfalldienstleistenden ORL-Arztes
    Die Richtlinie, die den Streptokokken-Schnelltest zur alles entscheidenden Richtschnur und bei positivem Ausfall Amoxicillin als allein seligmachendes Antibiotikum ohne Miteinbezug der Klinik puscht, muss ich als Kliniker als ungenügend qualifizieren: Tonsillen sind kryptisch aufgebaute Organe, welche leider nur allzu oft durch tiefe und damit Anaerobier-assoziierte Infekte auf sich aufmerksam machen. Dies geschieht zudem regelmässig unilateral. Wie wir wissen, sind die Folgen gefährliche, potenziell ohne Therapie lebensbedrohliche Peritonsillitiden respektive Peritonsillabszesse. Da viele unserer PatientInnen, die wir mit Peritonsillitiden/-abszedierungen sehen antibiotisch mit Penicillin, Ampicillin oder Makroliden im Anschluss an einen positiven Streptokokkentest vorbehandelt sind, hätte ich besagte Richtlinie um folgende 3 Punkte erweitert: 1. Im Falle unilateral auftretender Tonsillen-Beschwerden unbedingt verzugslos hochdosiert mit Co-Amoxicillin oder (bei Penicillin-Allergie) mit Dalacin zu behandeln beginnen (ggf. initiale i.v. Aufsättigung). 2. Im Falle eines nicht zügigen Ansprechens der Beschwerden auf eine Antibiose mit Penicillin, Amoxicillin oder Makroliden (und insbesondere bei zunehmender Akzentuierung der Schmerzen auf eine Seite) ebenfalls Wechsel auf ein Anaerobier-wirksames Antibiotikum (siehe Punkt 1). 3. Selbiges Vorgehen für den Fall, dass eine 10-Tage-Therapie (7 Tage sind in der Tat oftmals zu wenig) wenige Tage später durch ein Beschwerderezidiv gefolgt wird.
Aktuelle Antibiotikafragen (12. April 2016)
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pharma-kritik, 38/No. 1
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