Blutdrucksenkung bei Diabetes entscheidend

  • r -- Tight blood pressure control and risk of macrovascular and microvascular complications in type 2 diabetes: UKPDS 38. UK Prospective Diabetes Study Group. BMJ 1998 (12. September); 317: 703-13 [Link]
  • Kommentar: Peter Diem
  • infomed screen Jahrgang 2 (1998) , Nummer 10
    Publikationsdatum: 1. November 1998
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Studienziele

Im Vergleich zur Normalpopulation leiden Personen mit Typ-II-Diabetes häufiger an einer Hypertonie. Gegenstand dieser Nebenstudie der «UK Prospective Diabetes Study» war es, den Einfluss der Hypertoniebehandlung auf Morbidität und Mortalität zu untersuchen.

Methoden

1987 wurden aus der «UK Prospective Diabetes Study» 1148 Diabeteskranke mit erhöhtem Blutdruck (im Mittel 160/94 mm Hg) selektioniert. Diese Personen wurden nach dem Zufall in zwei Studiengruppen eingeteilt. Bei der einen Gruppe (n=758) wurde versucht, mit Captopril (Lopirin® u.a.) oder mit Atenolol (Tenormin® u.a.) Blutdruckwerte unter 150/85 mm Hg zu erzielen. Bei der anderen, kleineren Gruppe (n=390) wurde mit anderen Medikamenten weniger intensiv behandelt (Zielblutdruck unter 180/105 mm Hg). Klinische Kontrollen und allfällige medikamentöse Anpassungen erfolgten alle 3 bis 4 Monate, durchschnittlich während 8,4 Jahren. Endpunkte waren Diabeteskomplikationen, diabetesassoziierte Todesfälle und die Gesamtmortalität.

Ergebnisse

Im Durchschnitt wurde in der intensiver behandelten Gruppe ein Blutdruck von 144/82 mm Hg, in der anderen Gruppe von 154/87 mm Hg erreicht. Die primär mit Captopril bzw. mit Atenolol intensiv behandelten Personen hatten gesamthaft ein um 24% kleineres Risiko, eine diabetesbedingte Komplikation zu erleiden. Mikrovaskuläre Endpunkte – insbesondere behandlungsbedürftige diabetische Retinopathien – waren bei intensiv Behandelten um 37% seltener. Auch Schlaganfälle und diabetesassoziierte Todesfälle waren in dieser Gruppe signifikant seltener. Am Studienende benötigten 29% der intensiv Behandelten drei oder mehr Antihypertensiva. Die Gesamtmortalität war aber in dieser Gruppe nicht signifikant reduziert.

Schlussfolgerungen

Eine intensivere Blutdrucksenkung wirkt sich bei Personen mit Typ-II-Diabetes vorteilhaft aus: vor allem die Häufigkeit von Retinopathien, aber auch von anderen diabetesbedingten Komplikationen lässt sich vermindern.

Die lange erwartete «United Kingdom Diabetes Prospective Study» (UKPDS) ist nach nunmehr 20 Jahren zu Ende, und die wichtigsten Resultate wurden am 12. September im Lancet und im BMJ publiziert! Zwischen 1977 und 1991 wurden 4209 Personen mit Diabetes mellitus Typ II rekrutiert und randomisiert in eine intensiv behandelte (mit dem Ziel einer Nüchtern-Glukose unter 6,0 mmol/l) und eine konventionell (Nüchtern-Glukose unter 15,0 mmol/l) behandelte Gruppe. Dabei konnte das Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen durch eine intensivierte Therapie signifikant gesenkt werden. Eine Senkung des HbA1c um 1% brachte eine Reduktion des Retinopathie- Risikos um 21% und des Risikos einer Albuminurie um 34%!

Aus weiteren Analysen und parallelen Studien ergeben sich wichtige Zusatzinformationen:

1. Enttäuschend fielen die Resultate hinsichtlich der makrovaskulären Endpunkte aus. Einzig für den Myokardinfarkt ergab sich eine 18%ige, allerdings knapp nichtsignifikante (p=0,052) Risikoreduktion.
2. Chlorpropamid (Diabinese®), Glibenclamid (z.B. Daonil ®) und Insulin unterscheiden sich nicht bezüglich Reduktion des mikro- und makrovaskulären Risikos. Damit dürfte auch die Frage, ob Sulfonylharnstoffe und Insulintherapie (via vermehrte Hyperinsulinämie) die Atherosklerose fördern, zumindest für Personen ohne vorbestehende Makroangiopathie beantwortet sein.
3. Metformin reduziert bei Übergewichtigen das Risiko aller Diabetes-assoziierten Endpunkte, der Diabetesassoziierten Todesfälle sowie des Myokardinfarktes und dürfte für diese Patientenkategorie zum Mittel der ersten Wahl werden.
4. Die Kombination Biguanid mit Sulfonylharnstoffen war allerdings mit einer erhöhten Gesamtmortalität verbunden. Dieser Punkt bedarf dringend der Klärung!
5. Eine klinisch realistische Reduktion einer Hypertonie (Senkung von durchschnittlich 154/85 auf 144/82 mm Hg) bringt signifikante Risikoreduktionen hinsichtlich aller Diabetes-assoziierten Endpunkte, Diabetes-assoziierter Todesfälle, Apoplexie, Myokardinfarkt und mikrovaskulärer Endpunkte. Diabetologisch tätige Ärztinnen/Ärzte müssen eindeutig über den Rand des Blutzucker- Kontrollheftes hinausschauen, denn die Kontrolle einer allfälligen Hypertonie ist bezüglich Prävention der Mikround Makroangiopathie von grösster Bedeutung.
6. Captopril und Atenolol sind bezüglich ihres Effektes vergleichbar. Die Debatte über die beim Typ-II-Diabetes richtige antihypertensive Therapie ist damit aber erst lanciert.

Peter Diem

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Blutdrucksenkung bei Diabetes entscheidend ( 1998)