Suizidrate in der Schweiz sinkt nach Armeereform

  • k -- Reisch T, Steffen T, Habenstein A et al. Change in suicide rates in Switzerland before and after firearm restriction resulting from the 2003 “Army XXI” reform. Am J Psychiatry 2013 (1. September); 170: 977–84 [Link]
  • Zusammenfassung: Adrian Rohrbasser
  • Kommentar: Uwe Herwig
  • infomed screen Jahrgang 17 (2013) , Nummer 6
    Publikationsdatum: 10. Dezember 2013
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Studienziele

39% aller Suizide von Schweizer Männern zwischen 18 und 43 Jahren werden mit Schusswaffen ausgeführt. In annähernd jedem zweiten Schweizer Haushalt befindet sich eine Schusswaffe. Diese Verbreitung wurde ab 2003 eingeschränkt, indem im Rahmen der Armeereform XXI der Bestand durch frühere Entlassungen aus der Wehrpflicht und Reduktion der Rekrutierungen gesenkt wurde. Gleichzeitig wurde der Kauf von Armeeschusswaffen einer Waffenlizenz unterstellt und der Preis erhöht. Ziel der Langzeitbeobachtungsstudie war es zu untersuchen, wie sich diese Reform auf die gesamte und die durch Schusswaffen bedingte Selbstmordrate auswirkte.

Methoden

Durch die Armeereform XXI wurde der Armeebestand im Jahr 2004 im Vergleich zu den vorangehenden Jahren von durchschnittlich 400'000 auf 200'000 Personen halbiert. Anhand der Daten des Bundesamts für Statistik wurden die Raten für Suizid durch Schusswaffen und für alle Suizide von 18- bis 43-jährigen Männern von 1995 bis 2003 und von 2004 bis 2008, also für Perioden vor und nach der Reform, bestimmt. Aufgrund der Daten von 1995 bis 2003 wurde für die Jahre 2004 bis 2008 die statistisch erwartete Anzahl Suizide mit der Zahl der in der gleichen Periode beobachteten Suizide verglichen. Frauen von 18 bis 44 Jahren und Männer von 44 bis 53 Jahren bildeten zusätzlich je eine Vergleichsgruppe.

Ergebnisse

Nach der Reform ereigneten sich bei den 18- bis 43-jährigen Männern pro 100'000 Personen und Jahr total 2,2 Suizide weniger und durch Schusswaffen 2,7 Suizide weniger als erwartet (Werte korrigiert für eine in allen Bevölkerungsgruppen beobachteten Abnahme). Nach der Reform starben in dieser Kohorte pro Jahr 37 Männer weniger als erwartet durch Schusswaffen. Dagegen nahmen die Suizide durch andere Methoden um 0,5 pro 100'000 Personen und Jahr bzw. 7 Männer zu. In den Vergleichsgruppen der Frauen und älteren Männer veränderten sich die Selbstmordrate und -methoden nicht.

Schlussfolgerungen

Nach einer Armeereform mit ungefährer Halbierung des Bestandes und weiteren Massnahmen zur Reduktion von Schuss­waffen nahm die Rate aller Suizide und der Suizide mit Schusswaffen von Männern im dienstpflichtigen Alter signifikant ab, während sich bei gleichaltrigen Frauen und älteren Männern für die Zeit vor und nach der Reform keine signifikanten Unterschiede nachweisen liessen.

Zusammengefasst von Adrian Rohrbasser

Diese bemerkenswerte Studie widmete sich der Änderung der Suizidraten in der Schweiz nach der Armeereform XXI, welche mit einer Einschränkung des Zugangs zu Schusswaffen einherging. Da Erschiessen die häufigste Suizidmethode bei jungen Männern ist, sollte sich der Anteil von Schusswaffen-Suiziden nach der Armeereform reduzieren. Die Studienverantwortlichen fanden dies tatsächlich, wobei nur knapp ein Viertel durch andere Methoden wie Eisenbahnsuizide ersetzt wurde. In absoluten Zahlen starben pro Jahr etwa 30 junge Männer weniger an Suiziden. Neben Aufklärung und Vorbeugung zur Verhinderung von Suiziden ist ein weiteres Mal bestätigt worden, dass die Einschränkung der Verfügbarkeit von Schusswaffen die immer noch relativ hohen Suizidraten beeinflusst.

Uwe Herwig

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Suizidrate in der Schweiz sinkt nach Armeereform ( 2013)