Mirtazapin bei therapieresistenter Depression: kein Zusatznutzen
- Zusammenfassung:
- Kommentar: Peter Zingg
- infomed screen Jahrgang 23 (2019)
, Nummer 1
Publikationsdatum: 21. Februar 2019 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Warum diese Studie?
Hausärztinnen und Hausärzte sind meist die erste Anlaufstelle bei einer depressiven Erkrankung. Oft schlägt die Behandlung mit Antidepressiva ungenügend an. In dieser britischen Studie wurde untersucht, wie eine zusätzliche Verschreibung von Mirtazapin (Remeron® u.a.) auf depressive Menschen wirkt, die mit selektiven Serotoninantagonisten (SSRI) wie Fluoxetin (Prozac® u.a.) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) wie Duloxetin (Cymbalta® u.a.) anbehandelt sind. Die Grundlage bildete die theoretische Überlegung, dass Mirtazapin additiv und komplementär auf die Basismedikation wirkt.
Was hat man gefunden?
In 106 britischen Allgemeinpraxen wurde nach Studienteilnehmenden gesucht, die nach einer mindestens 6-wöchigen Therapie mit SSRI oder SNRI weiterhin an leichten bis mittelschweren depressiven Symptomen litten, d.h. mehr als 14 Punktwerte im Beck-Depressions-Inventar (BDI) aufwiesen. 480 Erwachsene wurden in die Studie eingeschlossen. Ihre Symptome entsprachen im Mittel BDI-Werten um 30 – d.h. sie lagen mindestens teilweise im Bereich einer schweren Depression. Im Doppelblindverfahren erhielten 241 Personen 14 Tage lang 15 mg Mirtazapin täglich, danach 30 mg täglich; 239 Personen nahmen Placebo ein. Alle Behandelten führten die frühere Antidepressiva-Behandlung weiter. Nach 12 Wochen hatten die depressiven Symptome in beiden Gruppen abgenommen - unter Mirtazapin auf Werte von durchschnittlich 18,0 auf der BDI-Skala, unter Placebo auf durchschnittlich 19,7. Diese Differenz wurde in der 24. und 52. Woche noch kleiner. 46 Personen brachen aufgrund von unerwünschten Wirkungen die Therapie mit Mirtazapin ab, in der Placebo-Gruppe waren es neun.
Wie wird es gedeutet?
Die zusätzliche Einnahme von Mirtazapin führte bei depressiven, hausärztlich behandelten Personen, die auf eine Therapie mit SSRI oder SNRI ungenügend reagiert hatten, zu keiner überzeugenden Besserung. Unter Mirtazapin waren Therapieabbrüche deutlich häufiger als unter Placebo.
Zusammengefasst von Bettina Wortmann
Gast-Kommentar
Erweist sich eine antidepressive Medikation als nicht (genügend) wirksam, werden verschiedene Massnahmen empfohlen wie Dosiserhöhung, Therapiewechsel, Kombinationstherapie bzw. Augmentieren (mit Lithium, Thyroxin, einem neuen Neuroleptikum oder einem anderen Antidepressivum). Leider ist keine dieser Interventionen wirklich ausreichend belegt, insbesondere nicht im systematischen Vergleich mit dem Fortsetzen der bisherigen (noch) nicht wirksamen Behandlung. Das hat auch eine Arbeitsgruppe um T. Bschor mit Meta-Analysen aufgezeigt. Mit der vorliegenden sorgfältigen Studie ist auch die Kombination mit Mirtazapin als (zumindest noch) nicht evidenzbasiert abzuhaken. Gleichzeitig bestätigt sich einmal mehr: Kombinationen erhöhen nicht unbedingt die Wirksamkeit, wohl aber die unerwünschten Wirkungen, was auch für den mitunter favorisierten Einsatz neuer Neuroleptika zu bedenken ist. Die Zwickmühle bleibt weiterhin bestehen: Ist geduldiges weiteres Warten nicht möglich, wird eine der genannten (insgesamt gleichwertigen, aber auch gleichermassen nicht überzeugend belegten) Massnahmen zum Zuge kommen müssen. Die konkrete Wahl soll aus einer eingehenden Konsensbildung zusammen mit den Betroffenen hervorgehen - und nicht-medikamentöse Alternativen nicht ausser Acht lassen (wie Psychotherapie, kognitive Verhaltenstherapie oder Lichttherapie, auch bei nicht-saisonalen Depressionen).
Standpunkte und Meinungen
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