Mehr Tote unter Acetylsalicylsäure?
- Zusammenfassung: Markus Häusermann
- infomed screen Jahrgang 23 (2019)
, Nummer 1
Publikationsdatum: 21. Februar 2019 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Warum diese Studie?
In der oben beschriebenen ASPREE-Studie ergaben sich überraschend mehr Todesfälle unter ASS als unter Placebo. Die Studienverantwortlichen analysieren diesen Befund in einem separaten Artikel. Jeder Todesfall wurde von zwei unabhängigen Stellen verifiziert, die Todesursachen wurden anhand von Autopsie-Berichten oder Spitalberichten erfasst oder, falls nicht vorhanden, von Angehörigen erfragt.
Was hat man gefunden?
Im Studienkollektiv ereigneten sich gesamthaft dreimal weniger Todesfälle als in einer vergleichbaren Gruppe der Gesamtbevölkerung; die Krebsmortalität war in der Studie etwa halb so gross. Während der medianen Beobachtungszeit von 4,7 Jahren starben unter ASS 559 (5,9%) und unter Placebo 494 (5,2%) der Teilnehmenden, ein statistisch knapp signifikanter Unterschied (HR 1,14, 95% CI 1,01-1,29). Die Differenz betraf ausschliesslich Krebstodesfälle ab dem vierten Jahr der Studie: 227 Fälle unter Placebo und 295 unter ASS (1,6 mehr je 1000 Personen: Hazard Ratio 1,31, 95% CI 1,10-1,56). Die Todesfälle unter ASS waren nur bei Studienteilnehmenden in Australien sowie bei schwarzen und hispanischen Menschen in den USA häufiger; sie liessen sich nicht mit spezifischen Krebsarten, Risikofaktoren oder unmittelbaren Todesursachen (wie Blutungen oder Infektionen) in Zusammenhang bringen.
Wie wird es gedeutet?
Die beobachtete grösser Häufigkeit von Todesfällen, insbesondere an Krebs, steht im Widerspruch zu früheren Studien und Metaanalysen. In Untergruppenanalysen fand man dafür keine Erklärung; der Befund könnte trotz statistischer Signifikanz auch zufällig entstanden sein und sollte daher mit Vorsicht interpretiert werden.
Screen-Kommentar
Diese sehr überzeugend gemachte Studie bei einer Kohorte gesunder und gesundheitsbewusster älterer Leute mit einem niedrigen Erkrankungs- und Sterberisiko bringt zusätzliche Klarheit über Acetylsalicylsäure als Primärprophylaxe. Bemerkenswert finde ich, dass trotz fehlender Evidenz in den USA 36,7%, in Australien aber nur 7,2% der Teilnehmenden schon vor der Studie ASS eingenommen hatten. Die Ergebnisse früherer Studien wurden hier speziell für ältere Menschen bestätigt: ASS verhindert bei gesunden Personen weder Herz-Kreislauf-Krankheiten noch andere schwere chronische Krankheiten oder Todesfälle. Einziger signifikanter Effekt von ASS, auch wieder in Übereinstimmung mit den früheren Studien, war die grössere Gefahr schwerer Blutungen. Acetylsalicylsäure taugt also nicht zur Primärprophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dafür stehen andere Massnahmen im Vordergrund: nicht rauchen, regelmässige Bewegung, Blutdruckbehandlung, je nach Gesamtrisiko Cholesterinsenkung mit einem Statin. Im Gegensatz dazu bleibt bei bestehender Herz-Kreislauf-Erkrankung, also in der Sekundärprophylaxe, die Indikation für ASS weiter bestehen.
Zusammengefasst und kommentiert von Markus Häusermann
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