Restriktive oder grosszügige Indikation zur Cholezystektomie?
- Zusammenfassung: Markus Gnädinger
- infomed screen Jahrgang 23 (2019)
, Nummer 4
Publikationsdatum: 16. Juli 2019 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Warum diese Studie?
Durch die Einführung der laparoskopischen Cholezystektomie wurde aus einer belastenden Operation ein eher gut verträglicher Eingriff. Die Indikation wurde grosszügiger gestellt und schliesslich in internationalen Guidelines für alle Personen mit symptomatischen Gallensteinen grundsätzlich empfohlen. Die Indikation wird aber je nach Zentrum sehr unterschiedlich gestellt und die Häufigkeit persistierender Schmerzen nach der Operation liegt zwischen 10 und 41%. In einer randomisierten Studie sollte ein restriktiveres Auswahlverfahren dem üblichen Vorgehen entgegengestellt werden.
Was hat man gefunden?
Die Studie fand vom Februar 2014 bis zum April 2017 an 24 holländischen Zentren statt. Eingeschlossen wurden symptomatische Erwachsene mit nachgewiesenen Gallensteinen oder Gallenblasen-Sludge; sie wurden nach dem Zufall einer Gruppe mit dem üblichen Vorgehen (Indikation zur Cholezystektomie nach Ermessen der behandelnden Ärzte) oder einer Gruppe mit einem restriktiveren Auswahlverfahren zugeteilt. In der Interventionsgruppe wurde die Indikation zur Operation gestellt, wenn folgende fünf Kriterien erfüllt waren: (1) schwere Schmerzattacken, (2) Schmerzdauer von mindestens 15 Minuten, (3) Schmerzlokalisation im Epigastrium oder rechten oberen Quadranten, (4) Ausstrahlung in den Rücken, (5) Besserung nach nicht-opioiden Analgetika. Andernfalls wurde primär konservativ behandelt. 530 Personen wurden in die Interventions- und 537 in die Kontrollgruppe eingeschlossen. Sie waren im Mittel 48,5 Jahre alt, 73,5% waren Frauen. Nach 12 Monaten waren in der Interventionsgruppe 298 (56%) und in der Kontrollgruppe 321 (60%) Personen schmerzfrei, damit konnte die Nicht-Unterlegenheit (primärer Endpunkt) nicht belegt werden. Hingegen führte die restriktivere Strategie zu weniger Cholezystektomien: 68% gegenüber 75% in der Gruppe mit üblichem Vorgehen (p=0,01). Bezüglich Gallensteinkomplikationen oder Chirurgie-bedingten Komplikationen wurde kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen gefunden. Von den 530 in die Interventionsgruppe eingeschlossenen Personen hatten 147 (28%) aus verschiedenen Gründen nicht die geplante Strategie erhalten und wurden trotzdem operiert, in der Kontrollgruppe waren es lediglich 12 (2%) von 537. In der Interventionsgruppe waren häufiger alle 5 Kriterien erfüllt als bei den Kontrollen, obwohl diese vor der Randomisierung erhoben worden waren (38 gegenüber 28%, p<0,001).
Wie wird es gedeutet?
Die restriktive Strategie senkte die Häufigkeit von Cholezystektomien um 7,7%. Die Schmerzkontrolle war aber in beiden Therapiearmen ungenügend. Die Studienverantwortlichen schlagen vor, dass eine verbesserte Selektion von Personen, die von einer Cholezystektomie profitieren würden, in weiteren Studien untersucht werden sollte.
screen-Kommentar
Gallensteine oder -schlick sind häufig, Bauchbeschwerden auch - was liegt da näher, als das Eine auf das Andere zurückzuführen und die Situation chirurgisch zu «sanieren». Leider führt dies in zwei Dritteln der Fälle nicht zur Beschwerdefreiheit. Es gilt, sich vor Augen zu führen, dass die ursprüngliche Intention der Cholezystektomie darin lag, schwere Gallensteinkomplikationen zu verhindern, d.h. die akute Cholezystitis/Cholangitis und die biliogene Pankreatitis. Die grosszügigere Operationspraktik mit dem impliziten Versprechen der Beschwerdelinderung führt somit häufig zur Enttäuschung der Behandelten. Beruhigend ist immerhin, dass im Interventionsarm der Studie nicht mehr Gallensteinkomplikationen aufgetreten sind als in der Vergleichsgruppe. Die Forderung der Autoren ist zu unterstützen, dass vor einem Eingriff alternative Ursachen der Oberbauchbeschwerden gesucht und behandelt werden sollen. Ebenso ist mit neuen Studien die Evidenz zur Frage, wer von einer Cholezystektomie symptomatisch profitieren kann, zu verbessern. Allerdings brauchen diese Studien einen Horizont von mindestens 5 Jahren, daher wird noch einige Zeit vergehen, bis wir hier klüger sind. Schön wäre es auch, wenn bei der Randomisierung sowohl den Erkrankten als auch den Chirurgen beide Studienarme gleich lieb wären, was in dieser Studie offenbar nicht der Fall gewesen ist.
Zusammengefasst und kommentiert von Markus Gnädinger
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