Canagliflozin schützt nicht nur das Herz, sondern auch die Nieren
- Zusammenfassung: Renato L. Galeazzi
- Kommentar: Reto Krapf
- infomed screen Jahrgang 23 (2019)
, Nummer 5
Publikationsdatum: 1. Oktober 2019 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Warum diese Studie?
Canagliflozin (Invokana®), ein SGLT2-Inhibitor, ist ein Antidiabetikum, das nicht nur den Blutzucker senkt, sondern auch die Rate der Herz-Kreislauf-Komplikationen bei Personen mit einem Typ-2-Diabetes reduziert. In früheren Studien zeigte sich auch ein Trend zur Verbesserung der Nierenfunktionsprognose. In der vorliegenden Studie wurde Canagliflozin doppelblind und placebokontrolliert bei Typ-2-Diabeteskranken mit Zeichen einer beginnenden Nierenbeteiligung getestet.
Was hat man gefunden?
4401 Teilnehmende wurden randomisiert, 2202 erhielten Canagliflozin und 2199 Placebo. Im Mittel waren sie 63 Jahre alt (34% Frauen), der mittlere HbA1c-Wert war 8,3%, und die mittlere berechnete Kreatininclearance lag bei 56,2 ml/min/1,73 m2. Nach einer Interimsanalyse wurde die Studie beendet, da sich für Canagliflozin ein signifikanter Vorteil zeigte und man die Teilnehmenden unter Placebo nicht mehr unbehandelt lassen wollte. Zu diesem Zeitpunkt betrug die mediane Beobachtungszeit rund 2½ Jahre. 27% hatten die Medikation schon abgesetzt, etwa die Hälfte wegen unerwünschter Ereignisse. In der Verumgruppe hatten 43 und in der Placebogruppe 61 pro 1000 Personenjahre den primären Endpunkt erreicht (Verdoppelung des Kreatininwerts, terminale Niereninsuffizienz oder Tod wegen Nieren- oder Herz-Kreislaufkrankheit), was einer Risikoreduktion von 30% entspricht. Die Nebenwirkungen waren vergleichbar, ausser dass in der Verumgruppe deutlich mehr genitale Pilzinfektionen auftraten (besonders bei Männern) und eine diabetische Ketoazidose 10-mal häufiger war (allerdings insgesamt nur 12 Fälle).
Wie wird es gedeutet?
Die Studienverantwortlichen glauben gezeigt zu haben, dass Canagliflozin nicht nur hilft, den Blutzuckerspiegel zu senken, sondern neben der Reduktion von Herz-Kreislauf-Komplikationen auch das Risiko der Niereninsuffizienz vermindern kann, dies mit einem akzeptablen Nebenwirkungsprofil. Auf die Häufigkeit der Ketoazidose wird in der Diskussion nicht eingegangen.
Zusammengefasst von Renato L. Galeazzi
Gast-Kommentar
Diese Studie bestätigt die Beobachtung aus früheren Untersuchungen zum Effekt dieses und anderer SGLT-2-Inhibitoren auf kardiovaskuläre Erkrankungen (im Wesentlichen die Herzinsuffizienz) und die Progression des diabetischen Nierenversagens. Schönheitsfehler sind neben der frühzeitigen Beendigung der Studie die Verwendung der lediglich geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) und das relativ häufige Auftreten eines renalen Endpunktes in der Placebogruppe, was die Frage einer – durchaus zufällig möglichen – negativen Selektion aufwirft. Die Progression des Nierenversagens ist nicht linear und dank guter metabolischer und Blutdruckkontrolle deutlich verlangsamt worden. Neben dem Phänomen der nicht-progredienten Niereninsuffizienz («non-progressors», in gewissen Kohorten bis zu 50%), liegt der Abfall der eGFR in gut betreuten Kollektiven lediglich noch bei 1 ml/min pro Jahr. Die Studie hat aber die Fachgesellschaften bestätigt, die den Zusatz eines SGLT-2-Hemmers bei einer Albuminurie von >300 mg/g Kreatinin trotz ACE-Hemmern/Angiotensin-Rezeptorblockern empfehlen, solange die eGFR >30 ml/min beträgt. Bezüglich Wirkmechanismus bleibt weiterhin vieles unklar: Ist der Effekt überhaupt primär renal bedingt oder eher Folge des Effekts auf die myokardiale Kontraktilität? Wirken SGLT-2-Inhibitoren nur als Diuretika (mit Potenzierung der Wirkung von ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptorblockern)? Senken sie wirklich den glomerulären Druck oder wirken sie via Senkung des tubulären Energieverbrauchs, oder sind es gar die im Überschuss vorhandenen Ketokörper, die als zusätzliche Energiequelle für die Nieren protektiv wirken könnten? Ein Blick in die Medizinvergangenheit lehrt, dass erst durch Klärung des Wirkungsmechanismus der Stellenwert einer Substanz in einer spezifischen Indikation klar umrissen werden kann.
Reto Krapf, Prof. em. für Innere Medizin,
Universität Basel
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