Senkt Akupunktur die Häufigkeit von Anfällen bei stabiler Angina pectoris?
- Zusammenfassung: Felix Schürch
- Kommentar: Peter Jüni
- infomed screen Jahrgang 23 (2019)
, Nummer 6
Publikationsdatum: 4. Dezember 2019 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Warum diese Studie?
Zur Behandlung der stabilen Angina pectoris gibt es eine Reihe von Medikamenten, welche die Prognose der Koronarsklerose verbessern und die Häufigkeit der pektanginösen Anfälle mit Engegefühl und Schmerzen vermindern. Die Forschenden aus China haben untersucht, ob mit Akupunktur als zusätzlicher Behandlungsmassnahme eine Verminderung der Symptomatik erreicht werden kann. Die Teilnehmenden erhielten 12 Akupunktur-Behandlungen innerhalb von 4 Wochen, wobei sie nach dem Zufall einer von vier Gruppen zugeteilt wurden. Bei der Verumgruppe führten erfahrene Fachleute die Behandlung durch, indem sie die Nadeln bei den Meridianen setzten, die nach der Lehre der traditionellen chinesischen Medizin mit der Krankheit korrelieren. Eine zweite Gruppe erhielt Akupunktur bei den Meridianen, die nicht dem Herz zugordnet werden. Eine dritte Gruppe erhielt eine Scheinbehandlung, bei der keine Akupunkturpunkte ausgewählt und die Nadeln nicht nach der üblichen Technik gesteckt wurden. Nur in der vierten Gruppe wurde während der dreimonatigen Beobachtungszeit nicht mit Akupunktur behandelt («Warteliste»).
Was hat man gefunden?
Es konnten 398 Personen (Durchschnittsalter 62 Jahre) einbezogen und nach dem Zufallsprinzip auf die vier Gruppen aufgeteilt werden. Sie alle hatten die Diagnose einer chronisch-stabilen Angina pectoris entsprechend der Definition der amerikanischen Kardiologenvereinigungen: zwei pektanginöse Anfälle pro Woche. Die Teilnehmenden aller Gruppen erhielten weiterhin die von den Leitlinien empfohlenen Medikamente wie beispielsweise Betablocker und ACE-Hemmer. Sie führten ein Tagebuch über ihre Symptome und brachten dieses jeweils nach vier Wochen zu einer Kontrolle mit. Die Häufigkeit der Anfälle nahm bei der Gruppe mit der «lege artis» durchgeführten Akupunktur am meisten ab. Bei dieser Gruppe zeigte sich gegen Ende der 16-wöchigen Beobachtungszeit eine Verminderung um 4 Attacken pro Monat im Vergleich zur Gruppe mit der Behandlung eines nicht-betroffenen Meridians (Differenz von 4,07; 95% CI 2,43-5,71). Noch deutlicher war die Linderung der Symptomatik, wenn man die Scheinakupunktur oder keine Behandlung zum Vergleich heranzog.
Wie wird es gedeutet?
Die Studienverantwortlichen sehen einen Benefit bei der ergänzenden Anwendung von Akupunktur bei der chronischen stabilen Angina pectoris. Sie postulieren, dass die Akupunktur zu einem Ausgleich zwischen Vagusaktivität und dem sympathischen System führe.
Zusammengefasst von Felix Schürch
Gast-Kommentar
Letztes Jahr hat die Chefredakteurin von JAMA Internal Medicine, Rita Redberg, in einem Kommentar zum einzigen je publizierten und negativ ausgefallenen randomisierten Vergleich von Stents gegenüber einer Scheinbehandlung bei Patienten mit stabiler Angina pectoris [1] impliziert, dass das Schicksal der Stentbehandlung bei stabiler Angina nun besiegelt sei [2]. Dieses Jahr scheint sie mit der Publikation dieser chinesischen Studie zusätzliches Salz in die Wunden der interventionellen Kardiologen zu streuen. Aufgrund der vorliegenden Studie scheint bei Personen mit stabiler Angina pectoris die Evidenz zugunsten der Akupunktur nun beträchtlich besser zu sein als die Evidenz zugunsten einer Stentbehandlung. Dem ist (noch) nicht so. Die Eintrittsdiagnose basierte wahrscheinlich ausschliesslich auf klinischen Kriterien, ohne Nachweis einer relevanten Stenose per Bildgebung oder einer Ischämie per Belastungstest. Zudem wurde die Studie in China durchgeführt, weswegen leider zu Recht Zweifel an der Qualität der Studie geäussert werden können [3]. Deswegen wäre eine Replikation in einem westlichen Setting nach adäquat dokumentierter Diagnose einer stabilen koronaren Herzkrankheit wünschenswert.
Peter Jüni, University of Toronto, Kanada
2 Brown DL, Redberg RF. Last nail in the coffin for PCI in stable angina? Lancet. 2018 Jan 6;391:3-4
Standpunkte und Meinungen
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