Auch retardiertes Methylphenidat hilft hyperaktiven Kindern
- r -- Wolraich ML, Greenhill LL, Pelham W et al. Randomized, controlled trial of OROS methylphenidate once a day in children with attention-deficit/hyperactivity disorder. Pediatrics 2001 (Oktober); 108: 883-92 [Link]
- Zusammenfassung: Urspeter Masche
- Kommentar: Jürg Lütschg
- infomed screen Jahrgang 6 (2002)
, Nummer 1
Publikationsdatum: 1. Januar 2002 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Ungefähr 3% bis 5% der Kinder im Schulalter leiden an Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivität, d.h. an einer hyperkinetischen Störung. Als medikamentöse Therapie der Wahl gelten Stimulantien, wobei Methylphenidat (Ritalin®) am meisten verwendet wird. In dieser Studie wurde ein neues Präparat mit verzögerter Freisetzung von Methylphenidat (Methylphenidat OROS, in der Schweiz nicht erhältlich) untersucht.
Methoden
Die Studie umfasste 277 Knaben und Mädchen im Alter von 6-12 Jahren mit Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivität. Man behandelte die Kinder doppelblind während 4 Wochen mit Methylphenidat oder Placebo (gut zwei Drittel der Kinder hatten zu Studienbeginn bereits unter einer Methylphenidat- Therapie gestanden). Methylphenidat wurde - jeweils in drei verschiedenen Dosierungen - entweder als konventionelle Formulierung (3mal 5, 10 oder 15 mg/Tag) oder als OROSTablette (1mal 18, 36 oder 54 mg/Tag) verabreicht. Zur Beurteilung stützte man sich auf verschiedene Symptomenskalen, wobei man die Mitarbeit von Eltern und Lehrerschaft in Anspruch nahm.
Ergebnisse
Mit Methylphenidat ergab sich bei allen Symptomenskalen ein signifikant besseres Ergebnis als mit Placebo; zwischen den beiden Methylphenidat-Präparaten zeigte sich kein Unterschied. Die Wirkung von Methylphenidat OROS wurde gemäss dem Urteil der Eltern bei 54%, gemäss dem Urteil der Lehrerschaft bei 43% der Kinder als gut oder ausgezeichnet eingestuft; bei konventionellem Methylphenidat betrug dieser Prozentsatz in beiden Fällen 47%, bei Placebo 20% bzw. 18%. Von den Studienverantwortlichen evaluiert, hatten unter beiden Methylphenidat-Präparaten 47% der Kinder eine deutliche Besserung erfahren, unter Placebo 17%. 71 Kinder beendeten die Studie vorzeitig (etwa 15% in den Methylphenidat- Gruppen, knapp 50% in der Placebo-Gruppe), mehrheitlich weil die Therapie nicht genügend gewirkt hatte. Als wichtigste Nebenwirkungen von Methylphenidat beobachtete man Kopfschmerzen und Bauchschmerzen.
Schlussfolgerungen.
Methylphenidat hilft bei Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivität signifikant besser als Placebo. Das neue OROS-Retardpräparat, das einmal pro Tag verabreicht werden kann, scheint den konventionellen Methylphenidat-Tabletten ebenbürtig zu sein. (UM)Die vorliegende Studie zeigt zunächst, dass Methylphenidat gegenüber Placebo eine signifikant bessere Wirkung zeigt und dass alle wesentlichen Symptome (Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität, Impulsivität, sowie die Verhaltensstörung) beeinflusst werden. Es fand sich aber kein Wirkungsunterschied zwischen dem OROSRetardpräparat und Methylphenidat in konventioneller Formulierung. Die Wirkung beider Formulierungen war eine Woche nach Therapiebeginn und am Ende der Studie gleich gut. In der Arbeit wurde auch das Nebenwirkungsspektrum genau untersucht. Schwerwiegende Methylphenidat- Nebenwirkungen konnten nicht festgestellt werden. Vor allem wurde der Schlaf nicht beeinflusst, der Appetit der Kinder nur geringfügig, und es kam auch nicht zu neu auftretenden Tics. Die Studienverantwortlichen wollten vor allem zeigen, dass das nur einmal täglich zu verabreichende OROS-Retardpräparat gleich wirksam ist wie das normale Methylphenidat.
Jürg Lütschg
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