Nebenwirkungen aktuell

TRAMADOL

Die Wirkung von Tramadol, einem als mittelstark einzustufenden Schmerzmittel, beruht auf zwei Mechanismen: einerseits bindet es sich an Opiatrezeptoren; andererseits hemmt es die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin. Tramadol wird durch CYP2D6 und andere Zytochrome abgebaut. Wichtigster Metabolit ist O-Desmethyltramadol, das eine viel höhere Affinität zu Opiatrezeptoren besitzt als die Muttersubstanz. Bei verminderter CYP2D6-Aktivität ist deshalb, ähnlich wie bei Codein, mit einer verminderten schmerz-lindernden Wirkung zu rechnen.

Informationen zu Tramadol:

Leppert W. Pharmacol Rep 2009; 61; 978-92

Young JW, Juurlink DN. CMAJ 2013; 185: E352

Vazzana M et al. Biomed Pharmacother 2015; 70: 234-8

Markenname: Tramadol = Tramal® u.a

Hypoglykämie

Eine 82-jährige Frau wurde nach einem Sturz auf die Notfallstation gebracht. Seit 3 Wochen bestanden bei ihr eine Schläfrigkeit und psychomotorische Verlangsamung; zudem hatte sie in den letzten 2 Monaten 4 kg an Gewicht verloren. Als Diagnosen waren eine Arthrose, Herzrhythmusstörungen, eine Stimmungslabilität mit Halluzinationen und eine Hypercholesterinämie bekannt. Die eingenommenen Medikamente waren Bromazepam (Lexotanil®), Risperidon (Risperdal® u.a.), Amitriptylin (Saroten®), Lysinacetylsalicylat (Aspégic®), Trimetazidin (ein in der Schweiz nicht erhältliches Antianginosum), Diclofenac (Voltaren® u.a.), Omeprazol (Antramups® u.a.) sowie eine Paracetamol/Coffein-Kombination; ferner hatte man vor 3 Wochen eine Behandlung mit einem Tramadol-Retardpräparat (2-mal 100 mg/Tag) begonnen.

Bei Eintritt mass man bei der Patientin einen niedrigen Blutzuckerspiegel (3,5 mmol/l). Sie erhielt intravenös Glukose, wonach sich die Vigilanz verbesserte. Einige Stunden später wurde sie erneut somnolent, bei einem Blutzuckerspiegel von 2,2 mmol/l. Man verabreichte abermals Glukose, und nach 3 Tagen konnte die Frau das Spital verlassen.

Ein 82-jähriger Patient mit einem Parkinsonsyndrom, einer arteriellen Hypertonie, einem Nikotinabusus und kognitiven Störungen wurde wegen Verschlechterung des Allgemeinzustandes hospitalisiert. Bei der Untersuchung fielen eine Apathie und ein Blutzuckerspiegel von 3,2 mmol/l auf. Ein Diabetes war nicht bekannt. Die medikamentöse Therapie bestand aus Rivastigmin (Exelon® u.a.), Sertralin (Zoloft® u.a.), Levodopa/Benserazid (Madopar®) und einer Tramadol/Paracetamol-Kombination (Zaldiar® u.a., 2-mal 1 Tabl./Tag); ausserdem wurden wegen sturzbedingter Schmerzen seit 3 Tagen Diclofenac/Misoprostol (Arthrotec®) und zusätzliches Tramadol (150 mg/Tag) eingenommen. Die Gabe von Glukose bewirkte eine sofortige klinische Besserung.

Taugourdeau S et al. Rev Med Interne 2011; 32: 703-5

Die französische Arzneimittelbehörde hat 43 Hypoglykämie-Fälle analysiert, bei denen ein Zusammenhang mit Tramadol zu vermuten war. Die Hypoglykämien traten meistens relativ rasch nach Beginn einer Tramadol-Behandlung auf (im Median nach 5 Tagen). In 58% der Fälle bestand ein weiterer Hypoglykämie-begünstigender Faktor (Therapie mit Antidiabetika, Niereninsuffizienz, Infekt u.a.). In 2 Fällen fand eine positive Reexposition statt.

Bourne C et al. Br J Clin Pharmacol 2012; 75: 1063-7

1105 Personen, die erstmalig eine Hypoglykämie erlitten hatten, wurden einer Kontrollgruppe gegenübergestellt. Dabei zeigte sich, dass in der Fallgruppe signifikant häufiger Tramadol verwendet worden war als Codein (das man als Referenz gewählt hatte); die «Odds Ratio» (OR) betrug 1,52 (95% CI 1,09–2,10). Analysierte man es vom zeitlichen Verlauf her, war der Unterschied nur bei den Personen signifikant, bei denen die Tramadol-Verschreibung beim Auftreten der Hypoglykämie nicht weiter als 30 Tage zurücklag. Das Risiko einer Hypoglykämie ist somit vor allem am Anfang einer Tramadol-Behandlung erhöht, wobei man, wie man berechnete, von einer Zunahme um mindestens das 3-fache ausgehen kann.

Das erhöhte Hypoglykämie-Risiko erklärt man sich damit, dass sowohl Serotonin – über verschiedene Mechanismen – als auch die Stimulation von my-Rezeptoren blutzuckersenkend wirken.

Fournier JP et al. JAMA Intern Med 2015; 175: 186-93

Atemdepression

Bei einem 5½-jährigen Knaben hatte eine Tonsillektomie stattgefunden. 6 Stunden nach dem Eingriff wurde er nach Hause entlassen. Wegen der Schmerzen bekam er vor Mitternacht Tramadol-Tropfen (20 mg). Am Morgen wurde er mit einer Lethargie erneut ins Spital gebracht, wo man einen GCS-Wert von 8, enge Pupillen, gehäufte Apnoe-Episoden und eine Sauerstoffsättigung von 48% feststellte. Nach Gabe von Sauerstoff und Naloxon normalisierte sich der Zustand innerhalb von Minuten. Wie sich anschliessend im Urin nachweisen liess, war das Verhältnis von O-Desmethyltramadol zu Tramadol signifikant erhöht. Die CYP2D6-Genotypisierung ergab drei aktive Allele, womit der Knabe als ultraschneller CYP2D6-Metabolisierer identifiziert war.

Orliaguet G et al. Pediatrics 2015; 135: e753-5

Hyponatriämie

Eine 92-jährige Patientin, die als einziges Medikament Irbesartan (Aprovel® u.a.) nahm, wurde mit rechtsseitigen Hüftschmerzen hospitalisiert. Bei Eintritt lag die Natriumkonzentration bei 134 mmol/l. Man begann eine Therapie mit einem Tramadol-Retardpräparat (200 mg/Tag). Drei Tage später trat ein Verwirrtheitszustand auf, der zu einem Sturz aus dem Bett führte. Fieber, eine Dehydratation oder neurologische Ausfälle waren nicht zu verzeichnen. Nun wurde eine Hyponatriämie nachgewiesen (117 mmol/l); zusammen mit einer Urinosmolarität von 507 mosml/l ergab sich die Diagnose eines SIADH. Da weitere Abklärungen (radiologische Untersuchungen von Schädel und Lunge, Bestimmung von Nebennieren- und Schilddrüsenhormonen) negativ ausfielen, wurde Tramadol als wahrscheinlichste SIADH-Ursache betrachtet. Nach Absetzen der Medikamente und unter einer Wasserrestriktion stieg der Natriumspiegel in kurzer Zeit auf 135 mmol/l. Irbesartan wurde danach wieder eingesetzt und problemlos toleriert.

Le Berre JP et al. Rev Med Interne 2007; 28: 888-9

Auf der gleichen Datengrundlage wie die obenerwähnte Fall-Kontroll-Studie zur Hypoglykämie wurde eine Kohortenstudie durchgeführt, in der man das Hyponatriämie-Risiko von Tramadol zu erfassen versuchte. Unter Tramadol traten Hyponatriämien mit einer Häufigkeit von 4,6 pro 10’000 Personen und Monat auf; unter Codein lag dieser Wert bei 1,9. Dies entspricht einer «Hazard Ratio» von 2,05 (1,08–3,86) bzw. einem rund doppelt so hohen Hyponatriämierisiko durch Tramadol.

Fournier JP et al. Am J Med 2015; 128: 418-25

So wünschbar eine Substanz wie Tramadol erscheint (die es ermöglicht, dass man bei stärkeren Schmerzen nicht direkt auf ein potentes Opioid zurückgreifen muss), so häufig erlebt man, dass sich Tramadol nicht bewährt und wegen Unverträglichkeit abgesetzt werden muss. Als ein «Brechmittel mit gewisser analgetischer Wirkung» hat sich eine Palliativmedizinerin vor einiger Zeit über Tramadol ausgelassen. Offenbar drohen von Tramadol weitere Gefahren, die das Mittel als «Alltagsanalgetikum» umso ungeeigneter erscheinen lassen.

LIRAGLUTID

Liraglutid, ein subkutan zu verabreichendes Polypeptid, wirkt als Agonist des GLP-1-Rezeptors. GLP-1 («glucagon-like peptide-1») ist ein sogenanntes Inkretin – im Darm gebildete Hormone, welche die Insulinsekretion fördern und die Glukagonwirkung bremsen. Liraglutid lässt sich beim Typ-2-Diabetes in Kombination mit oralen Antidiabetika oder Insulin verwenden. In den USA ist es neu auch zur Behandlung von Übergewicht zugelassen.

Übersichten zu Liraglutid:

Gysling E. pharma-kritik 2010; 32: 3-4

Ryan GJ et al. Clin Ther 2011; 33: 793-811

Perry CM. Drugs 2011; 71: 2347-73

Markennamen: Liraglutid = Victoza® (Fixkombination mit Insulin-Degludec = Xultophy®)

Autoimmunhepatitis

Bei einer jungen Diabetikerin wurde eine akute Hepatitis diagnostiziert. Ihre Behandlung bestand aus Metformin (seit 3 Jahren) und aus Liraglutid (1,2 mg/Tag), das man vor 4 Monaten anstelle von Exenatid (Byetta®) verschrieben hatte. Bei den Abklärungen fand man erhöhte Leberwerte (ASAT 991 E/l, ALAT 1123 E/l, alk. Phosphatase 90 E/l, Bilirubin 162 mcmol/l); die Blutgerinnung war aber intakt (INR 1,3). Die Sonographie zeigte eine vermehrte Echogenität im Bereich der Portalfelder ohne erweiterte Gallenwege. Die serologischen Untersuchungen lieferten keinen wegweisenden Befund. Es wurde eine Leberbiopsie durchgeführt, bei der sich histologisch sogenannte Mottenfrassnekrosen nachweisen liessen, die aber keine klare ätiologische Zuordnung erlaubten. Unter einer symptomatischen Therapie besserte sich der Zustand, so dass die Patientin entlassen wurde.

Neun Tage später stellte sich die Frau mit einer Zunahme des Ikterus und mit Müdigkeit erneut vor. Weil die Leberwerte weiterhin erhöht waren und die Beschwerden andauerten, entschloss man sich zu einer zweiten Leberbiopsie, bei der man ausgeprägte Nekrosen und eosinophile Infiltrate fand. Unter dem Verdacht auf eine Liraglutid-induzierte, markernegative Autoimmunhepatitis wurde eine Behandlung mit Prednison begonnen. Nach 6 Monaten waren die Leberwerte zwar gesunken, jedoch noch nicht normal, so dass weiterhin Prednison verabreicht wurde.

Kern E et al. JAMA Intern Med 2014; 174: 984-7

Akute Nierentubulusnekrose

Eine 53-jährige Diabetikerin, die auch noch an einer arteriellen Hypertonie, einem Asthma und einer Sarkoidose litt, wurde wegen Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe und Anurie (bei einer Kreatinin-Konzentration von über 2000 mcmol/l und einer Harnstoff-Konzentration von 53 mmol/l) ins Spital eingeliefert. Bei der einen Monat zuvor erfolgten Diabeteskontrolle hatte man die Behandlung von Acarbose (Glucobay®) auf Liraglutid (1,8 mg/Tag) umgestellt; dabei war auch ein normaler Kreatininspiegel gemessen worden (88 mcmol/l).

Das akute Nierenversagen wurde zunächst als Folge von gastrointestinalen Flüssigkeitsverlusten interpretiert. Man stoppte die Mehrheit der Medikamente und verabreichte intravenös Flüssigkeit, was aber keine adäquate Diurese bewirkte. Die Urinanalyse ergab 5–10 Leukozyten, 2–5 Erythrozyten und 5–10 Epithelzellen pro Gesichtsfeld, eine Eiweisskonzentration von 500 mg/dl sowie eine Natriumkonzentration von 51 mmol/l. In der Sonographie der Nieren sah man weder eine Hydronephrose noch eine kortikale Atrophie. Es wurde zweimal eine Dialyse durchgeführt und zusätzlich Prednison (60 mg/Tag) verordnet. Eine Nierenbiopsie lieferte den Befund von fleckförmigen tubulären Nekrosen und einer unspezifischen interstitiellen Nephritis; glomeruläre Immunkomplexe oder zu einer Sarkoidose passende Granulome waren nicht festzustellen. Binnen einer Woche sanken der Kreatinin- und der Harnstoffspiegel auf 164 mcmol/l bzw. 11 mmol/l, was die Spitalentlassung erlaubte. Von den zahlreichen Medikamenten, welche die Patientin genommen hatte, wurden alle wieder eingesetzt, mit Ausnahme von Azathioprin (Imurek®), für das man keine Indikation mehr sah, Quinapril (Accupro® u.a.) und Liraglutid. Bei der Nachkontrolle waren ihre Werte stabil.

Kaakeh Y et al. Pharmacotherapy 2012; 32: e7-11

Interstitielle Nephritis

Bei einem 83-jährigen Typ-2-Diabetiker, bei dem eine diabetische Nephropathie mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von rund 30 ml/min bekannt war, hatte sich die Nierenfunktion akut verschlechtert. Vor 2 Monaten war die antidiabetische Therapie angepasst worden, indem man Exenatid verschrieben und kurz danach auf Liraglutid gewechselt hatte. Bei der Untersuchung wies der Patient Beinödeme und lungenauskultatorisch feine basale Rasselgeräusche auf. Die GFR schätzte man auf 6 ml/min. Im Urin liessen sich nicht-glomeruläre Erythrozyten und Leukozyten (davon 35% Eosinophile) nachweisen. In der Nierenbiopsie fand man eine diffuse tubulo-interstitielle Infiltration mit vielen Eosinophilen.

Es wurde die Diagnose einer akuten interstitiellen Nephritis gestellt. Da keine Hinweise auf ein infektiöses oder immunologisches Geschehen vorlagen, wurde Liraglutid als Ursache vermutet, eventuell auch in einer Kreuzreaktion mit Exenatid. Man stoppte Liraglutid, setzte ein Steroid ein und führte eine vorübergehende Dialyse durch, wonach sich die Nierenfunktion verbesserte

Der durch Liraglutid hervorgerufene Nierenschaden ist möglicherweise immunvermittelt, da Liraglutid und Exenatid die Bildung von Antikörpern anregen können.

Gariani K et al. Am J Kidney Dis 2014; 63: 347

Bereits vor drei Jahren hat sich die amerikanische Konsumentenschutz-Organisation «Public Citizen» dafür verwendet, dass Liraglutid vom Markt genommen werde, unter anderem weil das Medikament mit einem erhöhten Risiko einer Pankreatitis behaftet und mit Schilddrüsentumoren assoziiert sei.(1) Darüber, wie bedeutsam das Pankreatitis-Risiko einzuschätzen ist, wird zum jetzigen Zeitpunkt von Fachleuten immer noch debattiert. Offensichtlich stellt Liraglutid aber auch für Leber und Niere eine gewisse Gefahr dar, so dass man sicher nicht falsch liegt, wenn man sich bei der Verschreibung von Liraglutid grosse Zurückhaltung auferlegt.

1 «Public-Citizen»-Pressemitteilung: https://goo.gl/OcNOZg

COTRIMOXAZOL

Die beiden in Cotrimoxazol kombinierten Substanzen, Trimethoprim und Sulfamethoxazol, hemmen – an verschiedenen Stellen – die Synthese der Tetrahydrofolsäure, einen für die Bakterien essentiellen Stoffwechselschritt. Trimethoprim und Sulfamethoxazol sollen sich über einen synergistischen Effekt auszeichnen, der allerdings in der Praxis nicht sicher gewährleistet zu sein scheint.

Informationen zu Cotrimoxazol:

Gysling E. pharma-kritik 1995; 17: 81-4

Smilack JD. Mayo Clin Proc 1999; 74: 730-4

Masters PA et al. Arch Intern Med 2003; 163: 402-10

Markenname: Cotrimoxazol = Bactrim® u.a.

Plötzlicher Tod in Kombination mit Spironolacton …

In einer Fall-Kontroll-Studie wurden 328 Personen zusammengestellt, die – unter einer Behandlung mit Spironolacton (Aldactone® u.a.) stehend – zusätzlich ein zur Harnwegsinfekt-Behandlung dienendes Antibiotikum erhalten hatten und innerhalb der folgenden 2 Wochen plötzlich verstorben waren. Dieser Fallgruppe wurde eine Kontrollgruppe gegenübergestellt, die mit Spironolacton behandelte Personen umfasste, die zum definierten Zeitpunkt noch am Leben waren. Wie sich zeigte, war in der Fallgruppe signifikant häufiger Cotrimoxazol verwendet worden; indem man Amoxicillin (Clamoxyl® u.a.) als Referenzantibiotikum einsetzte und eine OR von 1,0 zuordnete, liess sich für Cotrimoxazol eine OR von 2,46 (1,55–3,90) berechnen. Ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang fand man bei Ciprofloxacin (Ciproxin® u.a.) mit einer OR von 1,55 (1,02–2,38) und bei Nitrofurantoin (Furadantin® u.a.) mit einer OR von 1,70 (1,03–2,79), während sich für Norfloxacin (Noroxin® u.a.) kein erhöhtes Risiko nachweisen liess.

Antoniou T et al. CMAJ 2015; 187: E138-43

… sowie mit ACE-Hemmern und Sartanen

Von der gleichen Autorengruppe wurde eine analoge Auswertung durchgeführt, wobei aber als Grundkohorte Personen fungierten, die nicht mit Spironolacton, sondern mit einem ACE-Hemmer oder einem Sartan (Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten) behandelt waren. Der Fallgruppe (n=1027) wurden Personen zugeteilt, die binnen 7 Tagen nach Einnahme eines Antibiotikums unerwartet starben. Auch in dieser Fallgruppe war – wiederum mit Amoxicillin als Referenz – signifikant häufiger Cotrimoxazol (OR 1,38 [1,09–1,76]) oder Ciprofloxacin (OR 1,29 [1,03–1,62]) verschrieben gewesen als in der Kontrollgruppe. Für Nitrofurantoin und Norfloxacin war in dieser Untersuchung kein erhöhtes Risiko nachzuweisen.

Trimethoprim hat chemische Ähnlichkeiten mit dem kaliumsparenden Diuretikum Amilorid. Es ist deshalb plausibel, dass in Kombination mit anderen ähnlich wirkenden Medikamenten die Gefahr von tödlichen Hyperkaliämien wächst. Das erhöhte Risiko für Ciprofloxacin erklärt sich durch dessen QT-verlängernde Wirkung.

Fralick M et al. BMJ 2014; 349: g6196

Akute fibrinös-organisierende Pneumonie

Ein 50-jähriger Landwirt war wegen einer akuten Arthritis in der rechten Grosszehe (die man später als Gichtarthritis beurteilte) mit einem Steroid und Cotrimoxazol behandelt worden. Wenige Tage danach klagte er über eine Anstrengungsdyspnoe, einen pleuritischen Thoraxschmerz und ein Druckgefühl im Epigastrium. Seit längerem bekannt war ein Asthma, das aber gut kontrolliert war; zudem hatte er bis vor 15 Jahren geraucht. Bei der Untersuchung zeigte sich eine Sauerstoffsättigung von 89% und eine Leukozytose mit Linksverschiebung; Fieber bestand nicht. Im CT des Thorax liessen sich beidseitige basale Lungeninfiltrate erkennen. Unter der Diagnose einer Pneumonie wurde er mit Levofloxacin (Tavanic® u.a.) behandelt.

Trotzdem verschlechterte sich sein Zustand, so dass er nochmals hospitalisiert wurde. Man mass wiederum eine Sauerstoffsättigung von 89%, ferner lag eine Tachykardie (115/min) und eine Tachypnoe (28/min) vor. Bei der Lungenauskultation stellte man eine verlängerte Exspiration und feine Rasselgeräusche fest. Radiologisch konnte eine Zunahme der Infiltrate beobachtet werden. Die Leukozytose mit der Linksverschiebung war immer noch vorhanden. BSR und CRP-Spiegel waren leicht erhöht. Andere Laboruntersuchungen (BNP, Troponin, HIV-AK, ANCA, ANA) und die Suche nach einer infektiösen Ursache lieferten negative Resultate. Die Bronchoskopie mit Lavage ergab eine vermehrte Granulozytenzahl, jedoch keine Eosinophilie. Man entschloss sich zur Lungenbiopsie, bei der histologisch eine organisierende Pneumonie festgestellt wurde. Eine Systemerkrankung bestand gemäss rheumatologischer Beurteilung nicht.

Unter einer hochdosierten Steroidtherapie besserte sich die Sauerstoffsättigung. Zur Pneumocystis-Prophylaxe wurde Cotrimoxazol verordnet (3-mal/Woche); dies war 2 Wochen, nachdem die Arthritisbehandlung mit Cotrimoxazol beendet worden war. Wiederum verschlechterte sich die Dyspnoe. Die Lungenfunktion war deutlich eingeschränkt, und radiologisch bestanden weiterhin die Infiltrate. In einer Zweitbeurteilung der Biopsie legte man sich nun auf eine akute fibrinös-organisierende Pneumonie fest; Ansammlungen von Eosinophilen wiesen auf eine medikamentenvermittelte Reaktion hin. Cotrimoxazol wurde gestoppt und durch Pentamidin (Pentacarinat®) ersetzt. Danach besserte sich der Zustand, vor allem auch subjektiv, rasch.

Jamous F et al. BMJ Case Rep 2014 doi: 10.1136/bcr-2014-205017

Aseptische Meningitis

Die aseptische Meningitis ist eine seltene Überempfindlichkeitsreaktion auf Medikamente, ausgelöst zum Beispiel durch nicht-steroidale Entzündungshemmer, immunmodulierende Substanzen oder Antibiotika; unter den Antibiotika ist Cotrimoxazol häufigster Verursacher.

In einer Übersicht sind Fallberichte aus englischsprachigen Zeitschriften zusammengestellt worden, in denen eine aseptische Meningitis unter Cotrimoxazol (oder einem der beiden Inhaltsstoffe) beschrieben worden war. Insgesamt fanden sich Berichte zu 41 Fällen: bei 30 entwickelte sich eine aseptische Meningitis unter Cotrimoxazol, bei 4 unter Cotrimoxazol und unter Trimethoprim, bei 6 unter Trimethoprim allein und bei 1 unter Sulfamethizol (einem dem Sulfamethoxazol sehr nahe verwandten Sulfonamid).

In 9 Fällen war die aseptische Meningitis aufgetreten, ohne dass früher eine Cotrimoxazol-Exposition stattgefunden hatte. Die längste Cotrimoxazol-Behandlung bis zum Auftreten einer aseptischen Meningitis betrug 3 Monate. In den meisten Fällen war die aseptische Meningitis von Kopf- oder Nackenschmerzen und von Fieber begleitet; bei der Hälfte bestanden Übelkeit und Erbrechen. Vereinzelt waren auch eine konjunktivale Rötung, eine Photophobie, ein Hautausschlag oder Hitzewallungen im Kopf aufgetreten. Als neurologische Komplikationen wurden allgemeine Schwäche, verändertes Sprechen, epileptische Anfälle, Myoklonien, Bewusstseinsverlust und Koma angegeben. Im Liquor fanden sich typischerweise eine erhöhte Leukozytenzahl und Eiweisskonzentration. Bei je 2 Personen wurde aufgrund der Laborwerte auch eine Hepatitis bzw. eine akute Niereninsuffizienz diagnostiziert. Mit Ausnahme eines 15-jährigen Knaben, bei dem eine Paraparese zurückblieb, bildeten sich bei allen Betroffenen die Symptome innerhalb von 1 bis 3 Tagen zurück, nachdem Cotrimoxazol gestoppt worden war. In 4 Fällen wurde eine positive Reexposition dokumentiert.

Bruner KE et al. Ann Allergy Asthma Immunol 2014; 113: 520-6

Cotrimoxazol ist ein Antibiotikum, das in letzter Zeit eher an Bedeutung zurückgewonnen hat – sei es, weil es bei Harnwegsinfekten wieder als eines der Mittel der ersten Wahl gilt, sei es, weil es zum Beispiel auch gegen Methicillin-resistente Staphylokokken wirkt. Deshalb ist es wichtig, dass man um die Risiken von Cotrimoxazol weiss, das heisst auch die möglichen Interaktionen kennt. Während kaum vergessen geht, dass Cotrimoxazol die Wirkung von oralen Antikoagulantien (Vitamin-K-Antagonisten) verstärken kann, dürfte einem die Hyperkaliämie-Gefahr in Kombination mit kaliumretinierenden Medikamenten bislang weniger bewusst gewesen sein.

Standpunkte und Meinungen

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Nebenwirkungen aktuell (6. November 2015)
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